Kleine OP zerstört das Familienglück
SERIE LEBENSWEGE Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörigen und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorbener vor. Heute: Reinhold Barth.
Überall in der Wohnung hat Gerlinde Barth Bilder ihres verstorbenen Ehemanns Reinhold aufgestellt. Sie zeigen eine kleine, sehr vertraute Familie, die seit 1961 mit der Hochzeit und ein Jahr später mit der Geburt von Tochter Janika auf weit mehr als 50 Jahre ungetrübte Dreisamkeit zurückblicken kann. Doch dann zerstörte ein Anruf am Morgen des 16. Juni in diesem Jahr das Glück der Familie mehr als abrupt. „Ich hatte schon ein ungutes Gefühl, als um viertel vor acht die Nummer des Krankenhauses auf dem Display erschien, doch ich hätte nie daran gedacht, dass wir die Nachricht vom Tod unseres Papas erhalten würden“, erzählt Janika Barth.
Ihre Mama Gerlinde schüttelt auch noch einige Wochen nach diesem tragischen Ereignis den Kopf, kann es nicht fassen, was ihnen passiert ist. „Papa wurde an der Hand operiert, ein kleiner Eingriff, er war ja am Abend noch munter, ich sollte ihm seine Musik vorbeibringen, wir haben zusammen Eis gegessen“, erzählt Janika Barth. Eine letzte Nachricht ihres Papas hat sie noch auf ihrer Mailbox. „Wir waren den ganzen Donnerstag bei ihm, abends war ein schlimmes Gewitter. Da hat er uns aus Sorge angeru fen, ob wir gut nach Hause gekommen sind“, erzählt sie. Die Sorge um die Familie, das betont Gerlinde Barth, zieht sich bei ihrem Mann durch das gesamte Familienleben. „Vielleicht liegt das daran, dass mein Mann selbst nur sehr kurz das Familienleben in seiner Kindheit genießen durfte“, vermutet sie.
Geboren wurde Reinhold Barth am 8. April 1940 in Heilbronn. Dort waren seine Eltern Maria und Reinhold Barth in Evakuierung. Papa Reinhold war Soldat bei der Luftwaffe, ist in den letzten Kriegstagen gefallen. Mit den zwei älteren Schwestern und dem älteren Bruder ging es zurück ins Saarland. Mama Maria starb, als Reinhold Barth acht Jahre alt war. „So lange mein Papa gelebt hat, hatte er immer ein paar Tränen in den Augen, wenn er von seiner Mama erzählt hat. Er hat sie sehr verehrt“, sagt Janika Barth. Als Vollwaise kam der achtjährige Schüler ins Kinderheim in Neunkirchen – und büxte immer wieder zu den Großeltern nach Wellesweiler aus. So lange, bis sie ihn schließlich aufnahmen. „Opa hat im Wasserwerk gearbeitet und hatte da eine kleine Dienstwohnung. Als er in Rente kam, zogen sie nach Neunkirchen in unmittelbarer Nachbarschaft von meiner Mama Gerlinde“, erzählt Janika, Gerlinde Barth schmunzelt. Denn schon bald bemerkte sie, dass Reinhold Barth ihr täglich ganz zufällig begegnete, als sie von der Arbeit nach Hause ging. „Eines Tages habe ich all meinen Mut zusammengenommen und gefragt, wo er hingeht. Da hat er geantwortet: ,Dich abholen.’“Seither waren die beiden ein Paar, schnell wurde Verlobung gefeiert, die Hochzeit in der Pauluskirche fand am 11. März 1961 statt. Ursprünglich, verrät Janika Barth, war ihr Papa katholisch, war auch als Messdiener aktiv. Für seine Frau konvertierte er zwar nicht, doch war mit einer protestantischen Hochzeit einverstanden und wollte, dass die Tochter ebenfalls evangelisch getauft wird. Dass diese später einmal Theologie studieren würde und den Beruf der Pfarrerin ergreifen würde, konnte er da nicht ahnen. Nicht nur im Glauben, auch im Beruf nahm er große Rücksicht auf seine Frau. „Mein Papa war von ganzem Herzen Bergmann, hat unter Tage auf der Grube König und in Velsen gearbeitet. Doch weil meine Mama so viel Angst hatte, hat er sich umorientiert und wurde Mitarbeiter bei der Firma Tschan“, erzählt Janika Barth. Dort, so steht es in seinen Unterlagen nachzulesen, war er von November 1959 bis April 2004 beschäftigt. Insgesamt konnte Reinhold Barth auf 50 Arbeitsjahre zurückblicken.
„Mein Papa hat schon sehr früh gearbeitet, war als Jugendarbeiter in der Ziegelei, im Sägewerk, im Baugeschäft und in einer Autovermittlung“, sagt die Tochter. Sich allein durchschlagen, das konnte Reinhold Barth bereits in jungen Jahren. Umso mehr, betont seine Frau Gerlinde, hat er sich seit der Geburt der Tochter im Jahr 1962 um das Wohl seiner eigenen, kleinen Familie gekümmert. „Mein Mann brauchte nichts für sich, hat viel lieber uns beide verwöhnt“, erzählt sie. Dazu gehörten auch die Reisen ins ehemalige Jugoslawien. Dort hat er seinen beiden Frauen das Schwimmen beigebracht, konnte seine Verbundenheit zur Natur ausleben.
„Wir sind immer zu dritt durchs Leben gegangen“, sagt Janika Barth traurig. Selbst, als sie außerhalb des Saarlandes studierte, sorgte der Papa dafür, dass der Geburtstag von Mama Gerlinde gemeinsam mit der Tochter in Wuppertal gefeiert wurde. „Es war ihm nichts zu viel. Wir sind einfach unendlich traurig, doch wir fühlen, er ist in unserer Mitte, und wir hoffen, dass wir uns eines Tages wiedersehen“, erklärt Gerlinde Barth.
Auf der Seite „Momente" stellt die Saarbrücker Zeitung im Wechsel Kirchen in der Region und Lebenswege Verstorbener vor. Im Internet: saarbruecker-zeitung.de/lebenswege
„Mein Mann durfte selbst nur sehr kurz das Familienleben in seiner
Kindheit genießen.“
Gerlinde Barth
über ihren verstorbenen Mann Reinhold