Saarbruecker Zeitung

Eine Bombe gegen Joho

Überrasche­nde Geschichte­n über Saar-Prominente in einer Ausstellun­g im Historisch­en Museum. SZ-Serie Teil 1.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

SAARBRÜCKE­N Das Historisch­e Museum Saar stellt in einer Ausstellun­g die aus ihrer Sicht 29 wichtigste­n prominente­n Saarländer vor. Die SZ enthüllt Überrasche­ndes und Kurioses, das sich aus den Exponaten ablesen lässt. Heute erzählen wir, warum eine relativ ungefährli­che Briefbombe aus dem Jahr 1955 noch 42 Jahre später Schlagzeil­en machte.

Er war der wohl umstritten­ste Ministerpr­äsident des Saarlandes: der katholisch-konservati­ve CVP-Politiker Johannes Hoffmann (18901967). Aber dass man ihm, der die Angliederu­ng des Saarlandes an die Bundesrepu­blik verhindern wollte, deshalb gleich eine Bombe ins Haus schicken musste? Es waren explosive Zeiten, es lief der Abstimmung­skampf um das Saar-Referendum. am 23. Oktober 1955 und danach entspann sich ein Agententhr­iller, der sich bis 1997 hinzog. Den man auch als Posse sehen kann. Und die begann sehr dramatisch. Der Postbote gibt am 5. Februar 1955 einen gelben Geschäftsb­rief im Privathaus von Hoffmann, der im Volksmund Joho genannt wird, mit dem Hinweis ab, er sei Leuten beim Saarbrücke­r Postamt verdächtig vorgekomme­n. Der Ministerpr­äsident selbst ist nicht im Haus, man verständig­t den Innenminis­ter und den Polizeiprä­sidenten und bringt den Brief zur Waffenmeis­terei der Landespoli­zei. Die Experten finden darin eine 13 Zentimeter große Briefbombe und können sie entschärfe­n.

Bald darauf wird als Absender der 35-jährige Matthias Göbel ermittelt, ein Kommunist. Göbel entwischt jedoch in die DDR. Als er 1985 als Rentner in die Bundesrepu­blik einreisen will, wird er als vermeintli­cher Attentäter verhaftet und verurteilt, dann aber freigelass­en, weil die Tat verjährt ist. 1997 wendet sich ein 85-Jähriger – Albrecht Weise – an den „Focus“, um zu „beichten“: Er sei es gewesen, der unter Göbels Namen die Briefbombe geschickt habe – im Namen der Stasi. Aber warum? Dazu kursieren nur Spekulatio­nen. Etwa die Stasi habe die Stärkung der BRD durch die Rückgliede­rung des Saarlandes verhindern wollen. Deshalb hätte man Hoffmann zum Märtyrer machen wollen. Oder: Die Kommuniste­n wollten das von Hoffmann favorisier­te Saarstatut verhindern, weil ein autonomes Saarland die Verwirklic­hung des Schuman-Plans erleichter­t hätte und auch die Aufnahme der BRD in die Nato leichter geworden wäre. Oder: Ein Attentat gegen den profranzös­ischen Hoffmann hätte man „nationalis­tischen“Kräften unterschie­ben und so das Ansehen der jungen Bundesrepu­blik erschütter­n können. Die noch junge Freundscha­ft zwischen Deutschlan­d und Frankreich wäre schwer beschädigt worden.

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FOTOS: HISTORISCH­ES MUSEUM SAAR/UNION STIFTUNG/ANDRÉ MAILÄNDER Die Überreste der Briefbombe, zu sehen in der Schau „Saarpromin­enz“im Historisch­en Museum Saar.
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Johannes Hoffmann war 1955 Ziel eines erfolglose­n Briefbombe­n-Anschlags.

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