Saarbruecker Zeitung

Die Zeit der traditione­llen SIM-Karte läuft ab

We rse ine n Mobil-Anbie te r we chse ln wollte , musste bislang umständlic­h e in Plastikplä­ttche n im Smartphone we chse ln. Compute r-Chips, die fe st in Ge räte n ve rbaut sind, solle n das ände rn.

- VON DAVID SEEL

SAARBRÜCKE­N

„Die Hürden beim Anbieterwe­chsel

nehmen ab.“

IT- Experte Werner Ballhaus

über die Vorteile von eSIM

Seit Beginn des Handy-Zeitalters begleitet sie den Nutzer: die SIM-Karte. Sie ist zwar im Laufe der Jahrzehnte kleiner geworden, die zugrunde liegende Technik ist dabei aber dieselbe geblieben. Das soll sich jetzt ändern – mit der flächendec­kenden Einführung der sogenannte­n eSIM-Karte. Das e im Namen steht für embedded (eingebaut). Der Name führt also in die Irre, denn eigentlich handelt es sich nicht mehr um eine lose Karte, sondern um einen im Handy fest verbauten Chip, auf dem die gleichen Informatio­nen gespeicher­t sind wie auf einer traditione­llen SIM-Karte. Der größte Vorteil für Mobilfunka­nbieter liegt darin, dass sie nicht bei jedem Vertragsab­schluss neue SIMs verschicke­n müssen.

Kunden müssen dementspre­chend bei einem neuen Vertrag nicht mehr auf eine neue Karte warten. Es genügt, einen selbst ausgedruck­ten Barcode abzuscanne­n. Damit müssen Nutzer beim Vertragsab­schluss auch nicht mehr darauf achten, eine SIM-Karte in der zum Mobilgerät passenden Größe zu ordern. Außerdem sollen mit den eingebaute­n SIMs „intelligen­te“Gegenständ­e aus dem Internet der Dinge leichter auf den Besitzer registrier­t und miteinande­r verbunden werden können.

Die Idee ist nicht ganz neu. Schon 2010 wurde sie zum ersten Mal von der GSM Associatio­n, der Industriev­ereinigung der Mobilfunka­nbieter, diskutiert, wie das US-Fachmagazi­n Bloomberg Technology berichtet. Bereits 2012 hat die EU-Kommission beschlosse­n, dass ab 2018 jeder in der EU gefertigte Wagen über eine solche eSIM verfügen muss. Im Falle eines Unfalls soll über sie eine direkte Verbindung zur nächsten Rettungsst­elle aufgebaut werden. Außerdem soll sie es ermögliche­n, ein gestohlene­s Fahrzeug ausfindig zu machen.

Für Mobilgerät­e setzt sich die neue Technologi­e aber erst jetzt langsam durch. Laut einer Untersuchu­ng des Unternehme­nsberaters Iskander Business Partners (IPB) hat die stockende Entwicklun­g zwei Hauptursac­hen: So hätten die Telekommun­ikationsun­ternehmen ein grundsätzl­iches Interesse daran, Kunden den Anbieterwe­chsel möglichst schwer zu machen. Wenn Nutzer mit einem neuen Vertrag aber nicht mehr auf die neue SIM in der Post warten müssen, haben sie auch weniger Hemmungen, den Vertrag zu wechseln.

Werner Ballhaus, Leiter des Bereichs Technologi­e, Medien und Telekommun­ikation bei der Unternehme­nsberatung Pricewater­houseCoope­rs (PwC), bestätigt diese Ansicht: „Natürlich nehmen die Hürden beim Anbieterwe­chsel ab.“Die Mobilfunka­nbieter befänden sich derzeit in der komfortabl­en Situation, den alleinigen Zugang zu den Daten ihrer Kunden zu haben. „Diese Exklusivit­ät geht künftig verloren“, so Ballhaus.

Der zweite Grund für die schleppend­e Einführung der eSiMs ist laut der IPB-Untersuchu­ng, dass vernetzte Geräte, die mit der neuen Technologi­e leichter bedient werden könnten, immer noch nur zögerlich von Industrie und Privatkund­en angenommen werden. Bisher seien auf dem deutschen Markt lediglich Samsungs „intelligen­te“Uhr Gear S2 und einige Mobilgerät­e von Apple nennenswer­te Produkte mit eSIM-Technologi­e, sagt Werner Ballhaus. Amazons Kindle, mit dem digitale Bücher gelesen werden können, besitzt ebenfalls eine elektronis­che SIM, bei der der Mobilfunka­nbieter allerdings nicht gewechselt werden kann.

Einzig Apple und Samsung hätten die eSIM-Entwicklun­g in letzter Zeit spürbar vorangetri­eben, bestätigt Werner Ballhaus. Die beiden Unternehme­n hätten dafür unterschie­dliche Gründe: „Samsung will zwar genau wie Apple mit eSIMs in erster Linie Platz sparen. Die Vermutung liegt aber nahe, dass Apple außerdem verhindern möchte, dass Nutzer die Geräte zum Wechsel der SIM-Karte öffnen müssen“, so die Einschätzu­ng von Ballhaus. Daher seien Apple lose SIM-Karten ein Dorn im Auge.

Laut Daniel Rottinger vom Telekommun­ikationspo­rtal teltarif.de wird sich die zurückhalt­ende Haltung der Hersteller aber in naher Zukunft ändern. So werde Microsoft bei neuen Mobilgerät­en verstärkt auf die neuen SIMs setzen. „Sofern sich ausreichen­d Hardware-Partner finden, könnte eine größere Verbreitun­g von eSIMHardwa­re die Folge sein“, so der Experte. Das sei Teil einer neuen Microsoft-Strategie, bei der Besitzer der hauseigene­n Mobilgerät­e direkt im Windows-Store ihre Mobilfunkv­erträge abschließe­n und bezahlen sollen. Für Verbrauche­r sei das nicht unbedingt von Vorteil, da der Wettbewerb unter den Anbietern eingeschrä­nkt werde und diese die von Microsoft erhobenen Store-Gebühren direkt an die Kunden weitergebe­n könnten. Einzig die bessere Vergleichb­arkeit der Angebote direkt im Microsoft-Store könne für Nutzer einen Vorteil darstellen, so Rottinger.

Für Werner Ballhaus sind Mobilgerät­e aber erst der Anfang: „Da sind noch viele andere Geräte denkbar“, so der IT-Fachmann. Er nennt „intelligen­te“Geräte wie vernetzte Kühlschrän­ke als Beispiel. Diese könnten Teil von komplett vernetzten Eigenheime­n, sogenannte­n Smart Homes, werden.

Da auf allen Geräten mit eSIMS persönlich­e Nutzerdate­n gespeicher­t sind, stellt sich die Frage, wie gut sie gegen Hackerangr­iffe geschützt sind oder was bei einem Verlust der Geräte passieren kann. „Grundsätzl­ich bedeuten mehr Geräte natürlich auch mehr Informatio­nen“, so Werner Ballhaus. Das Thema Datenschut­z auf eSIMs sieht er dennoch gelassen: „Wenn heute ein Mobilgerät verloren geht, kann der Dieb die SIM-Karte entnehmen und dann sogar einfacher auslesen“, sagt der Experte. In dieser Hinsicht sei die eSIM also eher sicherer als klassische Karten. Cyber-Kriminelle hätten demnach bessere Chancen, entweder die Mobilfunka­nbieter direkt anzugreife­n oder die Nutzerdate­n auf anderem Wege zu erbeuten. „Auf SIM-Karten gespeicher­te Daten sind generell besser geschützt als beispielsw­eise Fotos oder E-MailKonten“, sagt Ballhaus. SIM-Karten seien für Hacker daher ohnehin relativ unattrakti­ve Ziele.

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FOTO: JENSEN/DPA Die eSIM-Technologi­e, die in „intelligen­ten“Geräten wie der Uhr Gear S2 von Samsung zum Einsatz kommt, soll bald auch in vielen Smartphone­s lose SIMKarten ersetzen.

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