Saarbruecker Zeitung

Roboter als Meinungsma­cher im Internet

Co mp uter-Pro gramme beeinfluss­en Diskussio nen in Fo ren und Netzwerken. Sie vo n echten Nutzern zu unterschei­den, wird immer schwierige­r.

- VON DIRK AVERESCH

(dpa) Von Mensch zu Mensch zu kommunizie­ren, ist heute nicht mehr selbstvers­tändlich. US-Forscher gehen davon aus, dass allein bei Twitter bis zu 15 Prozent der Nutzer-Konten automatisc­h von Software mit Beiträgen versorgt werden. Diese sogenannte­n Bots auszumache­n, ist inzwischen schwierig. Wenn sie nicht ganz plump programmie­rt sind, sehen viele Bot-Profile auf den ersten Blick wie ganz normale Nutzer aus. Auch Erkennungs­programme versagen. Lässt sich ihnen trotzdem auf die Schliche kommen?

Zunächst sollte man prüfen, wer dem angebliche­n Konto-Inhaber überhaupt folgt. Denn Bot und Bot gesellt sich gern. Hilfreich kann es auch sein, Profilbild und -beschreibu­ng genauer unter die Lupe zu nehmen. Ein aus dem Netz kopiertes Foto sei ebenso verdächtig wie eine fehlende oder sinnlose Profilbesc­hreibung, so das von der Landesmedi­enanstalt NordrheinW­estfalen mitgetrage­ne Portal „Handysekto­r.de“.

Ein Indiz dafür, dass hinter einem Konto ein Bot steht, kann sein, dass dessen Beiträge immer ähnliche Themen, Meinungen und Quellenver­weise aufweisen. Bots posten zudem oft sehr viele Inhalte, führen aber kaum Dialoge oder stören sie gezielt, etwa mit Beleidigun­gen oder Provokatio­nen. Verdächtig sind auch seltsamer Satzbau und wiederkehr­ende Grammatikf­ehler. Verteilt ein Konto massenhaft Likes, kann das „Handysekto­r .de“zufolge ein weiteres Indiz für einen Bot sein.

Können mehrere Dutzend Beiträge am Tag von einem einzigen Menschen stammen? Regelmäßig wird in diesem Zusammenha­ng die Zahl 50 genannt: Ab so vielen Beiträgen pro Tag habe man es wahrschein­lich mit einem Bot zu tun. „Das ist natürlich eine beliebige Definition. Es gibt auch Menschen, die so oft posten“, sagt der Wirtschaft­sinformati­ker Christian Grimme, der an der Uni Münster das Forschungs­projekt Propstop leitet, das Propaganda-Angriffe über Online-Medien untersucht. „Daran allein kann man es nicht festmachen.“Auf der Suche nach Gewissheit könne man etwa auch schauen, ob der Account einen menschlich­en Tag-Nacht-Zyklus verfolgt. „Aber selbst das reicht nicht aus.“

Ein etwas verlässlic­heres Merkmal ist die Reaktionsz­eit. Bots können rasend schnell reagieren, weil sie rund um die Uhr das jeweilige soziale Netzwerk nach den vom Programmie­rer vorgegeben­en Schlüsselw­örtern durchsuche­n. Ganz plakativ zeigt das auf Twitter etwa der bekannte Bot-Account Pfannkuche­npolizei. Schreibt jemand in einem Beitrag das Wort „Berliner“, meldet der Bot sich umgehend mit einem Hinweis, dass der Berliner in Berlin nun einmal Pfannkuche­n heißt.

Diese Anhaltspun­kte sind allerdings allesamt nicht eindeutig. Zumal es längst Bots gibt, deren Entwickler versuchen, bekannte Erkennungs­merkmale zu vermeiden. Einige haben echte Profilbild­er, setzen absichtlic­h nicht zu viele und nicht zu wenige Nachrichte­n ab und simulieren in ihrem Beitragsve­rhalten sogar menschlich­e Tagesabläu­fe, Denkpausen oder Nachtruhe, um nicht aufzufalle­n.

Automatisc­h lassen sich diese Bots oft nicht zuverlässi­g erkennen, sagt Christian Grimme. Von Social-BotPrüfsei­ten wie Botometer (Indiana University) oder Debot (University of New Mexico), die per Mustererke­nnung arbeiten, hält Grimme nicht viel. Im Rahmen des Propstop-Projektes haben die Wissenscha­ftler „unauffälli­ge“Bots gebaut und die Konten zur Prüfung auf den Seiten angegeben. „Diese Verfahren haben auch bei unseren Bots weitgehend versagt“, fasst Grimme die Ergebnisse zusammen. Die Erkennungs­raten hätten bei rund 50 Prozent gelegen. „Mit dieser Informatio­n kann ich natürlich nichts anfangen, ich muss mich dann doch hinsetzen und mir den Account selber angucken“, sagt der Informatik­er. Einfach gestrickte Bots identifizi­erten die Prüfseiten relativ leicht. Das schaffen Menschen meist aber auch.

Immer wieder treten Bots nicht nur als Einzelkämp­fer, sondern auch als ganze Armee auf, warnt Simon Hegelich, Professor für Political Data Science an der TU München. Solche Bot-Heere seien etwa bei Twitter entdeckt worden. Technisch sei das kein großes Problem. „Wer ein Programm hat, mit dem sich ein Bot steuern lässt, kann damit auch eine ganze Armee von Bots lenken.“

Eine hochwertig­e Software, mit der sich ein Verbund von bis zu 10 000 Twitter-Konten steuern lässt, ist Simon Hegelich zufolge für 500 US-Dollar (rund 425 Euro) zu haben. Fehlen nur noch Konten für die Bots. Aber auch die sind laut Hegelich käuflich: 1000 gefälschte Konten kosten zwischen 45 USDollar (38 Euro) für einfache Twitterund 150 US-Dollar (128 Euro) für Facebook-Konten.

Social Bots werden meist als vollständi­g automatisi­erte Programme wahrgenomm­en. „Ich glaube, das ist nur zum Teil wahr“, sagt Wirtschaft­sinformati­ker Christian Grimme. Oft sei nur ein Teil der Aktivität automatisi­ert, eben alles, was lästig ist. „Die andere Seite ist, Inhalte zu produziere­n. Und Inhalte so zu produziere­n, dass hinterher nicht mehr auffällt, dass dieser Account ein Bot ist.“Diese Aufgabe komme im Zweifel wieder einem Menschen zu, was automatisc­he Erkennungs­methoden extrem erschwere.

Der Trend gehe in Richtung einer Hybridform: „Durch die Entwicklun­g unserer eigenen Bots konnten wir zeigen, dass das nicht besonders schwer ist“, sagt Christian Grimme. „Der Aufwand dafür ist nicht mehr als drei, vier Tage Entwicklun­gsarbeit.“Auch die Idee, Bots mit komplexen Fragen, auf die keine adäquate Antwort zurückkomm­t, zu enttarnen, greift daher unter Umständen zu kurz, meint der Wissenscha­ftler. „Wenn es ein hybrides System ist, könnte ich das als Bot-Betreiber einfach umgehen, indem ich tatsächlic­h auch selbst antworte.“

 ?? FOTO: HUBER/WESTEND61/DPA ?? Manche Programme simulieren bei ihren Internet-Beiträgen menschlich­e Tagesabläu­fe, Denkpausen oder Nachtruhe, um nicht aufzufalle­n.
FOTO: HUBER/WESTEND61/DPA Manche Programme simulieren bei ihren Internet-Beiträgen menschlich­e Tagesabläu­fe, Denkpausen oder Nachtruhe, um nicht aufzufalle­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany