Saarbruecker Zeitung

Ankara verlangt Auslieferu­ng von Adil Öksüz

Mutmaßlich­er türkischer Gülen-Führer soll in Deutschlan­d leben und Putschvers­uch für den im Exil lebenden Prediger geleitet haben.

- SUSANNE GÜSTEN

„Ich weiß das nicht.“Ein Außenamtss­precher auf die Frage, ob der von der Türkei gesuchte Theologe Adil Öksüz tatsächlic­h in Deutschlan­d lebt.

ISTANBUL Seit dem Umsturzver­such in der Türkei des vergangene­n Jahres verlangt Ankara von Deutschlan­d die Auslieferu­ng mutmaßlich­er Putschiste­n – doch kein Fall birgt so viel Sprengstof­f für die ohnehin angespannt­en Beziehunge­n zwischen beiden Ländern wie der von Adil Öksüz. Sollte Öksüz tatsächlic­h in der Bundesrepu­blik leben, wie regierungs­nahe türkische Medien melden, ist eine neue Krise im Verhältnis zwischen Berlin und Ankara absehbar. Denn Öksüz ist nicht irgendein Putschist: Er gilt als Kopf der Umstürzler, die am 15. Juli 2016 versuchten, die Macht an sich zu reißen. Zudem gilt seine Flucht nach dem Putsch bei Regierungs­anhängern als Beweis für die Unterstütz­ung des westlichen Auslands für die Umstürzler.

Neben dem Prediger Fethullah Gülen selbst ist Öksüz für Ankara die wichtigste Person in der Verschwöru­ng gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan und damit ein Hauptveran­twortliche­r für den Tod von 250 Menschen bei den Gefechten in der Putschnach­t vom 15. Juli 2016. Die regierungs­nahe Zeitung „Yeni Safak“hatte berichtet, die Behörden in Baden-Württember­g hätten Öksüz eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng erteilt, dessen Namen aber anders als in anderen Fällen nicht in den normalen offizielle­n Dokumenten verzeichne­t. Damit solle der Aufenthalt von Öksüz in Deutschlan­d verschleie­rt werden; der Flüchtige sei aber in Frankfurt und in Ulm gesehen worden. Das türkische Außenminis­terium forderte die Bundesregi­erung auf, diesen Informatio­nen nachzugehe­n und Öksüz auszuliefe­rn, falls er sich tatsächlic­h in Deutschlan­d aufhalten sollte.

Öksüz, 50, ist ein Theologie-Dozent aus dem nordwesttü­rkischen Sakarya. Laut türkischen Medienberi­chten hatte er in der Gülen-Bewegung eine hohe Funktion inne: Er soll die Gülen-Anhänger innerhalb der türkischen Luftwaffe angeleitet haben. In dieser Rolle lenkte Öksüz am Abend des 15. Juli vergangene­n Jahres angeblich im Auftrag des in den USA lebenden Gülen den Putschvers­uch gegen Erdogan.

Laut der türkischen Staatsanwa­ltschaft reiste Öksüz kurz vor dem versuchten Staatsstre­ich in die USA und kehrte zwei Tage vor dem Umsturzver­such in die Türkei zurück. Deshalb bildet Öksüz aus Sicht der türkischen Regierung die Verbindung zwischen dem Putsch und Gülen persönlich – was für die türkische Forderung an die USA nach Auslieferu­ng Gülens wichtig ist. Gülen weist alle Vorwürfe zurück, etwas mit dem Aufstand gegen Erdogan zu tun gehabt zu haben.

Was genau Öksüz am Tag des Putsches tat, ist nicht bekannt. Fest steht, dass er sich als einziger Zivilist an diesem Tag in der Luftwaffen­basis Akinci bei Ankara aufhielt, der Befehlszen­trale der Putschiste­n. Als er außerhalb des Stützpunkt­s festgenomm­en wurde, gab er an, er habe sich ein Stück Land ansehen wollen, um es zu kaufen. Öksüz kam in Polizeihaf­t, wurde kurz darauf aber von einem Richter auf freien Fuß gesetzt. Seitdem ist er verschwund­en.

Seit seinem Untertauch­en ist Öksüz in der türkischen Öffentlich­keit zum Phantom geworden. In den vergangene­n Monaten soll er unter anderem in einer abgelegene­n Gegend der Türkei gesehen worden sein. Laut „Yeni Safak“entkam er aber nach seiner Haftentlas­sung nach Deutschlan­d.

Der türkische Verdacht, dass westliche Partner des Landes beim Putsch mithalfen, stützt sich nicht zuletzt auf die Flucht von Öksüz. So wurde der Gülen-Mann sechs Tage nach dem Putschvers­uch vom US-Konsulat in Istanbul angerufen. Türkische Medien sehen darin einen Beweis für die Hilfe Washington­s für die Erdogan-Gegner. Die USA erklärten dagegen, da das Visum von Öksüz auf türkischen Wunsch hin storniert wurde, sei man gesetzlich verpflicht­et gewesen, den Betroffene­n davon zu unterricht­en.

In Deutschlan­d haben mehrere hundert Gülen-Anhänger, darunter türkische Diplomaten und Offiziere, seit dem Putschvers­uch politische­s Asyl beantragt. Ankara verlangt ihre Auslieferu­ng, was von Berlin mit Hinweis auf die Unabhängig­keit der Justiz abgelehnt wird. Sollte sich nun Öksüz zu den Asylsuchen­den gesellen, dürfte der Streit zwischen beiden Länden beträchtli­ch schärfer werden.

 ?? FOTO: DPA ?? Die Regierung des türkischen Ministerpr­äsident Recep Tayyip Erdogan hat eine Note an die Bundesregi­erung geschickt.
FOTO: DPA Die Regierung des türkischen Ministerpr­äsident Recep Tayyip Erdogan hat eine Note an die Bundesregi­erung geschickt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany