Saarbruecker Zeitung

Der gefeierte Plagiator

Unter tosendem Applaus macht Ex-Minister Guttenberg Wahlkampf in der alten Heimat. Dabei hakt er gleich mal die Schummel-Affäre ab – und kopiert wieder.

- VON KATHRIN ZEILMANN UND RALF ISERMANN

KULMBACH (dpa/afp) Karl-Theodor zu Guttenberg hat es schon wieder getan – abgekupfer­t, ohne das Zitat kenntlich zu machen. „Alte Liebe rosneft nicht“, spottete Guttenberg Mittwochab­end in Kulmbach über das Engagement von Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) beim russischen Energiekon­zern. Klang witzig, bekam viel Applaus – war aber vorher schon Schlagzeil­e in der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“gewesen.

„Einmal Plagiator, immer Plagiator“, twitterte prompt ein Mitarbeite­r der Zeitung über den 2011 über seine mit nicht belegten Zitaten gespickte Doktorarbe­it gestürzten früheren Verteidigu­ngsministe­r. Allerdings: In seiner oberfränki­schen Heimat ist den Menschen dieser Skandal schon lange wurscht. „Welcome in Bavaria Karl Theodor“, schrieb etwa der 81 Jahre alte Andreas Speng auf die Vorderseit­e eines Plakats für den aus den USA zu einer Reihe von Wahlkampft­erminen nach Deutschlan­d gereisten Gast. Und auf der Rückseite gleich die Perspektiv­e: „KT für Bayern und Berlin“.

Nach mit viel Pathos vorgetrage­nem Lob für seine Heimat erklärte Guttenberg unter der glitzernde­n Discokugel der Stadthalle praktisch selbst den Skandal für beendet, der zum Rücktritt führte. „Ich habe, glaube ich, alle Konsequenz­en gezogen und getragen“, sagte der 45-Jährige. „Jetzt ist auch mal irgendwann gut.“Applaus brandete auf.

Eine Stunde und 20 Minuten redete Guttenberg überwiegen­d über Außen- und Sicherheit­spolitik. Über US-Präsident Donald Trump zum Beispiel. Er wirbt um weiterhin gute Beziehunge­n zu den USA: „Nicht ganz Amerika besteht aus blonden Wüterichen.“Deutschlan­d dürfe nicht mit „Klugscheiß­erei und Besserwiss­erei“über den Atlantik blicken. Guttenberg spricht mal ernsthaft, mal witzelt er. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lobt er – und ist ganz der Wahlkämpfe­r für die Union: „Das Land ist bei ihr in den besten Händen.“SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz ist für Guttenberg lediglich „der Mann aus Würselen“. Seine Sprüche haben teils Bierzelt-Niveau, etwa wenn er zum Thema Leitkultur sagt, dass der Sankt-Martins-Umzug kein Lichterfes­t sei und der Christkind­lesmarkt kein Winterfest. Klar, das wollen viele Menschen aus dem ländlich geprägten Oberfranke­n genau so hören. Ernst wurde er, wenn er Leidenscha­ft für Europa einfordert­e und sagte, trotz des Flüchtling­s-Abkommens mit der Türkei dürfe man nicht erpressbar werden.

Im lässigen Sakko und mit offenem weißen Hemdkragen wusste Guttenberg mit gewohntem Grinsen genau, was die Menschen hier erwarten: „Meine Heimat war, ist und wird immer dieses Oberfranke­n sein.“Und für die vielen Kameras gab es am Ende eine Umarmung mit Ehefrau Stephanie. An diesem Abend war es fast so wie früher, als die beiden als Glamour-Paar der deutschen Politik galten.

Aber wie steht es jetzt nun um die Comeback-Chancen für den einstigen Polit-Star? CSU-Chef Horst Seehofer macht keinen Hehl daraus, dass er sich dessen Rückkehr wünscht – und nicht nur als Wahlkämpfe­r, wie in den kommenden Wochen. Doch an welcher Stelle er „KT“sieht, darüber schweigt sich Seehofer aus. Nicht wenige in der Partei sehen in Guttenberg eine wichtige strategisc­he Figur, mit der Seehofer die Machtambit­ionen von Finanzmini­ster Markus Söder im Land wie in der Partei ausbremsen könnte.

Er sei als „engagierte­r Bürger“hier, sagte Guttenberg in Kulmbach. Am Wahltag am 24. September werde er wieder in den USA sein. Dort habe er sich ein neues Leben aufgebaut. Zum Abschied ruft er noch: „Gottes Segen und auf Wiedersehe­n.“

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FOTO: DPA Karl-Theodor zu Guttenberg genießt den Applaus „zu Hause“.

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