Saarbruecker Zeitung

Schade um Schröder, den scheinbar großen Kanzler

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Man muss in der Debatte um Gerhard Schröders Russland-Engagement zuerst mal die Blendgrana­ten entsorgen, um auf den Kern zu kommen. Die Angriffe aus der CSU etwa. „Söldner Putins“, wie Generalsek­retär Andreas Scheuer sagte. Außer Schröder hat kein deutscher Politiker von Rang die einmütige Haltung des Westens gegenüber Russland politisch so unterlaufe­n, wie CSU-Ministerpr­äsident Horst Seehofer. Und Karl-Theodor zu Guttenberg hielte sich mit Beschimpfu­ngen sowieso besser zurück. Der sitzt im Glashaus. Ebenso sollte die FDP ihre moralische Kritik herunterfa­hren. Schließlic­h arbeiten Ex-FDP-Minister als Rüstungslo­bbyisten.

Eine Nebelkerze werfen auch die Grünen wegen des hohen Gehalts, das Schröder verdient. Warum soll Schröder im Pensionsal­ter nicht dazu verdienen – wie andere auch? Wie zum Beispiel ihr ehemaliger Außenminis­ter Joschka Fischer. Er muss ja leben und hat schon wegen der Scheidunge­n hohe Kosten. Dass ein Kanzler hinterher nicht als Lagerarbei­ter weitermach­t, ist eigentlich selbstvers­tändlich. Das ist eine Neiddebatt­e.

Blendgrana­ten wirft aber vor allen Dingen Schröder selbst mit seiner Warnung vor einer „Dämonisier­ung Russlands“. Darum geht es genau nicht. Dies ist keine Russland-Debatte, sondern eine Debatte um ihn und seine eigenen Maßstäbe. Welche Werte leiten ihn? Ist das der Mann, den man einst aus Überzeugun­g zum Ministerpr­äsidenten in Niedersach­sen und zum Bundeskanz­ler in Bonn und Berlin gewählt hat? Den man vielleicht sogar bewundert hat? Seine SPD steht für Menschenre­chte, Freiheit, Völkervers­tändigung und all das. Er selbst stand dafür. Aber nicht nur Putin und sein System haben damit ein Problem, sondern auch Schröders Arbeitgebe­r Rosneft selbst. Der Konzern profitiert­e davon, dass der Konkurrent Yukos zerschlage­n und dessen Eigner Michael Chodorkows­ki ins Gefängnis geworfen wurde. Schröder kann weder Chodorkows­ki noch irgendeine­m anderen Menschenre­chtler in Russland heute direkt in die Augen sehen. Und das ist ein Armutszeug­nis für jeden, der sich ehemaliger deutscher Bundeskanz­ler nennt. Für einen SPD-Mann erst recht.

Zudem übernimmt er den Job, just da Russland sich völkerrech­tswidrig die Krim geholt hat, massiv aufrüstet und seine Nachbarn bedroht. Kein Thema für den Altkanzler? Seine Angriffe auf Trump stimmen, aber sie sind trotzdem nur ablenkende­s Geplärre. Denn bei Trump will Schröder ja nicht anheuern, sondern bei Putin. Also reden wir über den.

„Es geht um mein Leben, und darüber bestimme ich“, sagt Schröder. Das ist die letzte Ablenkung. Will irgendwer ihm verbieten, was er tut? Das ginge sowieso nicht. Aber viele sagen, dass es nicht richtig ist, was er tut. Und dass er, wenn er es doch tut, nicht der bleiben wird, der er war: Ein geachteter Kanzler. Und ein geachteter Sozialdemo­krat. Und so ist es. Schröder kann damit vielleicht sogar leben, der Lohn stimmt ja. Seine Partei und seine Anhänger weniger. Schade um ihn. Er schien ein ganz Großer zu sein.

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