Die Scheidung bleibt eine zähe Angelegenheit
Der Brexit läuft nicht rund: Zwar wird der Ton in den EU-Austrittsverhandlungen der Briten rauer. Ergebnisse bot aber auch die dritte Runde in Brüssel nicht.
BRÜSSEL Michel Barnier mag es nicht, wenn man ihm Gefühle unterstellt. Denn der EU-Chefunterhändler für den Brexit will professionell und sachlich bleiben. Doch bei der Pressekonferenz nach der gestern in Brüssel zu Ende gegangenen dritten Verhandlungsrunde mit Großbritannien wurde er gefragt, ob er nicht frustriert, ja sogar wütend sei aufgrund fehlender Fortschritte. Barnier reagierte etwas verblüfft. „Sie werden es merken, wenn ich wütend bin“, entgegnete er. „Ungeduldig“sei er wohl, gestand Barnier. Grund dazu gab es allemal. „Die Zeit rast“, betonte der Chefunterhändler gleich mehrmals, doch die Ergebnisse bleiben aus: „In der jetzigen Geschwindigkeit können wir keine hinreichenden Fortschritte feststellen“, sagte Barnier. Diese wären aber notwendig gewesen, damit die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen im Oktober das Mandat erteilen können, parallel zu den Austrittsgesprächen bereits über die zukünftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der Union zu verhandeln. Doch davon scheinen beide Seiten weit entfernt.
Brexit-Minister David Davis zeichnete hingegen ein ganz anderes Bild der Verhandlungen. Sie hätten „konkrete Fortschritte erzielt“. Tatsächlich trifft eher das Gegenteil zu: Denn in dieser Woche zog Großbritannien die im Juli geleistete Anerkennung, dass es finanzielle Verpflichtungen zu begleichen gibt, zum Teil wieder zurück. Stattdessen stellte Davis nun in Frage, „ob es solche Verpflichtungen überhaupt gibt“. Dabei gehen die eingegangenen Vereinbarungen der Briten weit über den Haushalt der Gemeinschaft hinaus. Es geht um Darlehen, Entwicklungsfonds und Förderprojekte. „Das Vereinigte Königreich fühlt sich nicht mehr verpflichtet, dem nachzukommen“, so der EU-Chefunterhändler. „Wie können wir da Vertrauen bilden und künftige Beziehungen besprechen?“Er werde „peinlich genau“ das Mandat umsetzen, das ihm erteilt wurde. Gemeint war der Ablauf der Verhandlungen – erst die finanziellen Verpflichtungen klären und die Rechte der EU-Bürger auf der Insel sichern, sowie das Verhältnis zwischen Irland und Nordirland festlegen, das nicht wieder durch eine harte Grenze bestimmt werden soll. Dann erst soll über die künftigen Beziehungen gesprochen werden. Die Positionspapiere, die zuletzt aus der Downing Street nach Brüssel geschickt wurden, lösten dort allerdings eher Kopfschütteln aus. Diplomaten sprachen von dem Versuch Londons, die Gespräche über das künftige Verhältnis vorziehen zu wollen – ohne jedoch klare Positionen über die wichtige Geldfrage zu beziehen. Auch bei den EU-Bürgern herrscht nach wie vor Uneinigkeit. Gleichzeitig sorgten etwa einhundert Abschiebebescheide jüngst für Ärger, auch wenn London inzwischen zugab, „dass das ein Fehler war“(Barnier).
In manchen der Vorschläge verspüre er „eine gewisse Nostalgie“, meinte der EU-Chefunterhändler: „Wenn ich etwa lese, dass man die Vorzüge des Binnenmarkts erhalten möchte, ohne dazuzugehören. Aber Brexit heißt Brexit.“Davis‘ Konter: Man dürfe „freien Markt nicht mit Nostalgie verwechseln“. Die Briten hätten gezeigt, dass sie „alles etwas flexibler und pragmatischer sehen“, erklärte der Minister selbstbewusst. Die spärlichen Teilerfolge blieben übersichtlich, Details ließ man aus. Barnier signalisierte noch die Bereitschaft, „den Verhandlungsrhythmus zu erhöhen“. Sein britischer Konterpart wich dem erstmal aus.