Je spannender das Duell, desto besser für Schulz
Am Sonntag, um 20.15 Uhr, treten Kanzlerin Merkel und ihr SPD-Herausforderer zur wichtigsten Debatte im Wahlkampf an.
In Berlin-Adlershof ist alles für den großen Showdown des Bundestagswahlkampfes gerichtet – das TV-Duell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz (morgen, 20.15 Uhr, live in ARD, ZDF, Sat.1 und RTL). Nach nunmehr sechs Aufeinandertreffen dieser Art seit 2002 hat man dort allerdings damit auch schon Routine. Es ist das gleiche Studio wie immer, Studio B, das gleiche helle blau. Im Nachbargebäude schauen 350 Journalisten und 400 weitere geladene Gäste auf einer Großbildleinwand zu. Darunter Parteienvertreter, Minister. Die vier übertragenden Sender werden von hier aus hinterher Interviews senden. Wer war besser, was war entscheidend, wer hat gewonnen? Schon kurz nach dem Duell soll es dazu auch Umfrage-Ergebnisse geben.
„Mann, Frau, Mann, Frau“, hat Sandra Maischberger (ARD) vorgeschlagen. In dieser Reihenfolge werden die vier Fragesteller am Moderatorentisch stehen. Wie Angela Merkel (CDU) und Martin Schulz (SPD) platziert sind, wurde länger geplant. Ihre weißen Pulte sind in einem leichten Winkel zueinander gerichtet. Die beiden sollen sich sehen, aufeinander eingehen – und wenn es geht, auch streiten.
Die Rollen, weiß Sandra Maischberger, sind klar: Merkel wird der direkten Konfrontation ausweichen wollen, wie noch jeder Amtsinhaber. Schulz wird sie anstreben, wie noch jeder Herausforderer. Nach Umfragen wollen 48 Prozent der Wahlberechtigten die Sendung sehen. Und zehn Prozent aller Wahlberechtigten sagen, der Ausgang könne ihre Wahlentscheidung beeinflussen. Das ist für Merkel gefährlich und für Schulz attraktiv. Und die Moderatoren, das hilft Schulz, wollen natürlich auch eine spannende Sendung, sie werden nachhaken.
Merkel wiederum nützt das Format, und womöglich hat das Kanzleramt in den Vorgesprächen deshalb so hart darauf beharrt, dass nichts verändert wird. Nicht zwei TV-Duelle, kein breiterer Raum für eine Diskussion unter den Kandidaten, keine Zuschauer im Studio. „Entweder zu den alten Regeln oder kein Duell“, habe es seitens der Merkel-Vertreter geheißen, berichtet ZDF-Chefredakteur Peter Frey. Sein Vorgänger Nikolaus Brender nannte das „Erpressung“. Am Donnerstag nahmen die Parteivertreter das Studio ab und einigten sich mit Regiechef Lutz Braune über letzte Details. Dazu gehört, dass die Kameras nicht allzu nah ran gehen an Gesichter, die eventuell schwitzen, oder Hände, die eventuell zittern.
Jede Antwort darf nur 60 bis 90 Sekunden dauern, und für jeden Kandidaten wird ein Zeitkonto geführt, das beide auf ihren Monitoren sehen können und das am Ende ausgeglichen sein soll. Dafür sorgen die Moderatoren. Ausgelost wurde, dass Schulz die erste Frage gestellt bekommt und Merkel bei den wichtigen Schlussstellungnahmen als letzte reden darf. Außer, dass es um vier Themenkomplexe geht – Migration, Außenpolitik, soziale Gerechtigkeit und innere Sicherheit – wissen die Kandidaten nichts über die Fragen.
Beide bereiten sich mit ihren Stäben bis zuletzt auf alle möglichen Situationen intensiv vor; von Schulz ist bekannt, dass er dafür den österreichischen Coach Markus Peichl engagiert hat. Der SPD-Mann hat sich vorgenommen, offensiv aufzutreten: „Korsette passen mir nicht“, sagt er. Auch die Moderatoren, neben Maischberger sind es Maybrit Illner (ZDF), Claus Strunz (Sat.1) und Peter Kloeppel (RTL), gehen am Wochenende in Klausur, in die „Feinabstimmung“der Fragen. Einzelgänge soll es auf ihrer Seite nicht geben, jedenfalls keine unabgesprochenen. Nicht wie von Stefan Raab, der beim letzten Mal ein bisschen seine eigene Show machte und sich mit dem Spruch „King of Kotelett“profilierte.
„Korsette passen mir nicht.“Martin Schulz SPD-Kanzlerkandidat