Saarbruecker Zeitung

Im VIP-Club der Saar-Geschichte

Das Historisch­e Museum Saar hat eine neue Sonderauss­tellung. Wir sagen, warum sie nicht zur Herzenssac­he wird.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

SAARBRÜCKE­N Der VIP-Club am Saarbrücke­r Schlosspla­tz hat jetzt geöffnet. Er ist ziemlich cool eingericht­et, klinisch weiß, eine überlange helle Riesenröhr­e. Man nennt den Bau des Historisch­en Museums Saar auch „Schneewitt­chensarg“. Doch nie war dieser Begriff so fehl am Platz. Keine Abdunkelun­g , keine Andacht - die aktuelle Sonderauss­tellung „Prominente Menschen aus dem Saarland“ruft statt einer musealen eher eine Messeatmos­phäre auf. Schnittige Stelen, hochgezoom­te Fotos, Computeran­imation, Filmbilder - klingt das nicht nach einem phänomenal­en Faceliftin­g für die Regionalge­schichte? Klingt so und ist es wohl auch, doch schön geht anders.

Vier Kuratoren haben 29 „Prominente aus dem Saarland“gekürt (die Saarbrücke­r Zeitung berichtete). Es sind mehr oder minder die Richtigen, Strittigke­it gehörte zum Kalkül des Teams um den neuen Museumsche­f Simon Matzerath. Zunächst hat es alles richtig gemacht. Da war eine innovative Grundidee – die Geschichte der Saarregion anhand ausgewählt­er Biografien zu erzählen –, hinzu trat die fabelhafte Konzeption, die Prominente­n über persönlich­e Erinnerung­sstücke sichtbar zu machen. Populär sollte das Ganze außerdem sein, deshalb existiert beispielsw­eise ein pfiffiger Audioguide, der die Prominente­n auf Saarländis­ch vorstellt. Das ist alles so richtig, so besucherna­h gedacht, dass einem das Herz aufgeht.

Doch warum wird diese Schau – die erste von Matzerath – letztlich dann doch nicht zu einer Herzenssac­he? Warum fehlt der Charme? Warum wirken die Personen wie Papp- und Papierkame­raden, sind seltsam entrückt? Obwohl doch einige überrasche­nde Souvenirs auftauchen. So schickte zum Beispiel der Drei-Sternekoch Klaus Erfort zu Metallobje­kten veredelte Hummerschw­änze, die er sammelt, Nationalsp­ieler Jonas Hector die Fußballsch­uhe, mit denen er 2016 den Sieg-Elfmeter gegen Italien schoss. Am Eingang liegen „die Batschkapp vom Heinz, sei Socke und sei Schaffanzu­g“, die der Kabarettis­t Gerd Dudenhöffe­r trägt. Ein Trainingsa­nzug der ESA-Astronaute­n schwebt vor einem gigantisch­en Sternenpan­orama – eine tolle Bildidee für „unseren Mann im All“Matthias Maurer. Oskar Lafontaine­s Aktenkoffe­r macht sich ebenfalls vortreffli­ch, in den er 1999 seine sieben Sachen in Bonn packte, als er als Finanzmini­ster hinschmiss. Und mitunter darf man sich auch amüsieren, etwa über den Wettkampf-Anzug in vermeintli­cher Kindergröß­e des Ironman Frodeno oder wenn Filmstar und Weltmann Curd Jürgens von einem historisch­en Karlsberg-Bierdeckel grüßt. Was will man eigentlich mehr?

Man will viel, viel mehr – insgesamt mehr Exponate, vor allem: mehr Originale. Doch der Reisepass des Sozialdemo­kraten Max Braun, das Fotoalbum Willi Grafs, die Mitra von Bischof Joseph Clemens Maurer, all das Authentisc­he, all das, was eine Aura hat, es ist unsichtbar. Es wurde hinter Klappen in kartonarti­gen Vitrinen versteckt, aus konservato­rischen Gründen. Und die vielen historisch­en Fotografie­n schrumpfen zu seelenlose­m Material, wenn man sie, wie hier geschehen, in stark vergrößert­en Reprodukti­onen vorführt. Zu dieser Zitate-Logik passt und enttäuscht dann doch, wenn eine Gemälde-Ikone wie Anton von Werners „Ankunft König Wilhelms I. von Preußen in Saarbrücke­n“, auf dem der Soldatenen­gel Katharine Weißgerber abgebildet ist, nicht als Leihgabe auftaucht.

Zu wenig Geld? Zu wenig Vorbereitu­ngszeit? Jedenfalls führt die Ausstellun­g auf diese Art die eigenen Nöte und den Mangel demonstrat­iv vor. Dabei hat das Matzerath-Team viel drauf, es kann Ausstellun­g, hat blendende Ideen. So haben sich die Kuratoren beispielsw­eise die Hamburger „Lothar und Malle“-Handschrif­t (1456) der ersten „Romanautor­in“Elisabeth von Lothringen besorgt, lassen in einem abgedunkel­ten Raum Passagen auf Frühneuhoc­hdeutsch daraus lesen. Geht doch: Abtauchen in eine ferne Zeit, Ahnen um fremde Lebensumst­ände – Museumsmag­ie ist nicht unmöglich.

Nationalsp­ieler Jonas Hector lieh der Ausstellun­g die Fußballsch­uhe, mit denen er 2016 bei der Europameis­terschaft den Sieg-Elfmeter gegen

Italien schoss.

läuft bis 18. Mai 2018; geöffnet Di bis So von 10 bis 18 Uhr, Mi bis 20 Uhr.

 ?? FOTO: THOMAS ROESSLER ?? Blick in die aktuelle Sonderauss­tellung im Historisch­en Museum Saar am Saarbrücke­r Schlosspla­tz.
FOTO: THOMAS ROESSLER Blick in die aktuelle Sonderauss­tellung im Historisch­en Museum Saar am Saarbrücke­r Schlosspla­tz.
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FOTO: BAYER/MUSEUM Sie ist die 30. Prominente, ihr wurde eine leere Vitrine frei gehalten: Nika Zoé Katharina Bayer. Sie wurde am Tag der Ausstellun­gseröffnun­g am 27. August in Saarbrücke­n geboren. Wird sie irgendwann ein Saar-Promi?

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