Im VIP-Club der Saar-Geschichte
Das Historische Museum Saar hat eine neue Sonderausstellung. Wir sagen, warum sie nicht zur Herzenssache wird.
SAARBRÜCKEN Der VIP-Club am Saarbrücker Schlossplatz hat jetzt geöffnet. Er ist ziemlich cool eingerichtet, klinisch weiß, eine überlange helle Riesenröhre. Man nennt den Bau des Historischen Museums Saar auch „Schneewittchensarg“. Doch nie war dieser Begriff so fehl am Platz. Keine Abdunkelung , keine Andacht - die aktuelle Sonderausstellung „Prominente Menschen aus dem Saarland“ruft statt einer musealen eher eine Messeatmosphäre auf. Schnittige Stelen, hochgezoomte Fotos, Computeranimation, Filmbilder - klingt das nicht nach einem phänomenalen Facelifting für die Regionalgeschichte? Klingt so und ist es wohl auch, doch schön geht anders.
Vier Kuratoren haben 29 „Prominente aus dem Saarland“gekürt (die Saarbrücker Zeitung berichtete). Es sind mehr oder minder die Richtigen, Strittigkeit gehörte zum Kalkül des Teams um den neuen Museumschef Simon Matzerath. Zunächst hat es alles richtig gemacht. Da war eine innovative Grundidee – die Geschichte der Saarregion anhand ausgewählter Biografien zu erzählen –, hinzu trat die fabelhafte Konzeption, die Prominenten über persönliche Erinnerungsstücke sichtbar zu machen. Populär sollte das Ganze außerdem sein, deshalb existiert beispielsweise ein pfiffiger Audioguide, der die Prominenten auf Saarländisch vorstellt. Das ist alles so richtig, so besuchernah gedacht, dass einem das Herz aufgeht.
Doch warum wird diese Schau – die erste von Matzerath – letztlich dann doch nicht zu einer Herzenssache? Warum fehlt der Charme? Warum wirken die Personen wie Papp- und Papierkameraden, sind seltsam entrückt? Obwohl doch einige überraschende Souvenirs auftauchen. So schickte zum Beispiel der Drei-Sternekoch Klaus Erfort zu Metallobjekten veredelte Hummerschwänze, die er sammelt, Nationalspieler Jonas Hector die Fußballschuhe, mit denen er 2016 den Sieg-Elfmeter gegen Italien schoss. Am Eingang liegen „die Batschkapp vom Heinz, sei Socke und sei Schaffanzug“, die der Kabarettist Gerd Dudenhöffer trägt. Ein Trainingsanzug der ESA-Astronauten schwebt vor einem gigantischen Sternenpanorama – eine tolle Bildidee für „unseren Mann im All“Matthias Maurer. Oskar Lafontaines Aktenkoffer macht sich ebenfalls vortrefflich, in den er 1999 seine sieben Sachen in Bonn packte, als er als Finanzminister hinschmiss. Und mitunter darf man sich auch amüsieren, etwa über den Wettkampf-Anzug in vermeintlicher Kindergröße des Ironman Frodeno oder wenn Filmstar und Weltmann Curd Jürgens von einem historischen Karlsberg-Bierdeckel grüßt. Was will man eigentlich mehr?
Man will viel, viel mehr – insgesamt mehr Exponate, vor allem: mehr Originale. Doch der Reisepass des Sozialdemokraten Max Braun, das Fotoalbum Willi Grafs, die Mitra von Bischof Joseph Clemens Maurer, all das Authentische, all das, was eine Aura hat, es ist unsichtbar. Es wurde hinter Klappen in kartonartigen Vitrinen versteckt, aus konservatorischen Gründen. Und die vielen historischen Fotografien schrumpfen zu seelenlosem Material, wenn man sie, wie hier geschehen, in stark vergrößerten Reproduktionen vorführt. Zu dieser Zitate-Logik passt und enttäuscht dann doch, wenn eine Gemälde-Ikone wie Anton von Werners „Ankunft König Wilhelms I. von Preußen in Saarbrücken“, auf dem der Soldatenengel Katharine Weißgerber abgebildet ist, nicht als Leihgabe auftaucht.
Zu wenig Geld? Zu wenig Vorbereitungszeit? Jedenfalls führt die Ausstellung auf diese Art die eigenen Nöte und den Mangel demonstrativ vor. Dabei hat das Matzerath-Team viel drauf, es kann Ausstellung, hat blendende Ideen. So haben sich die Kuratoren beispielsweise die Hamburger „Lothar und Malle“-Handschrift (1456) der ersten „Romanautorin“Elisabeth von Lothringen besorgt, lassen in einem abgedunkelten Raum Passagen auf Frühneuhochdeutsch daraus lesen. Geht doch: Abtauchen in eine ferne Zeit, Ahnen um fremde Lebensumstände – Museumsmagie ist nicht unmöglich.
Nationalspieler Jonas Hector lieh der Ausstellung die Fußballschuhe, mit denen er 2016 bei der Europameisterschaft den Sieg-Elfmeter gegen
Italien schoss.
läuft bis 18. Mai 2018; geöffnet Di bis So von 10 bis 18 Uhr, Mi bis 20 Uhr.