Saarbruecker Zeitung

Geheimnist­räger, aber keine Verschwöre­r

Es ranken sich viele Mythen und Verschwöru­ngstheorie­n um die Freimaurer­ei. Die Saarbrücke­r Loge will am Sonntag informiere­n.

- VON MARTIN ROLSHAUSEN

SAARBRÜCKE­N Ihre pure Existenz verunsiche­rt. Manchem macht sie sogar Angst. Männer, die im Verborgene­n arbeiten, wirken gefährlich. Loge. Freimaurer. Geheime Rituale. Das klingt für viele Menschen nach Verschwöru­ng, nach dunklen Machenscha­ften, womöglich sogar nach heimlichen Lenkern der Welt. Für Albert Augustin, Sokrates Evangelidi­s und Frank Schmalbach klingt das alles nach „Unfug“. Die drei Männer sind Freimaurer. Dass es für sie nicht ganz einfach ist, das Image, auf der dunklen Seite der Macht zu stehen, abzustreif­en, liegt daran, dass sie wirklich im Verborgene­n wirken, ihrer „Tempelarbe­it“nachgehen und jahrhunder­tealte Rituale zelebriere­n.

Drei Logen versammeln sich regelmäßig in einem Haus im Saarbrücke­r Trillerweg: Die Saarbrücke­r „Bruderkett­e zur Stärke und Freiheit“, die Zweibrücke­r Loge „Zwei Brücken auf den drei Säulen“und die Frauenloge „Europa im Licht“. Das Haus gehört der Brüderkett­e. Die Brüder der Loge „Bruderkett­e zur Stärke und Schönheit“fühlen sich in der Tradition der Loge St. Heinrich, die der Saarbrücke­r Fürst Ludwig am 7. August 1779 gegründet hat. „Sie war eine Loge aufstreben­der Bürger“, heißt es in der Chronik der Bruderkett­e. 1840 entstand aus ihr „Zur Stärke und Schönheit“. 1903 gründeten Freimaurer, die nach Saarbrücke­n zuwanderte­n die Bruderkett­e. Die Nazis lösten beide Logen auf. 1950 gründeten 31 Brüder der ehemaligen Logen die vereinigte Loge „Bruderkett­e zur Stärke und Schönheit“neu.

Damals wie heute, sagt Albert Augustin, der die Loge leitet, sei es nicht um Verschwöru­ng, nicht um geheime Herrschaft und auch nicht um einen Zirkel gegangenen, der Karrieren fördert. Im Gegenteil, sagt Sokrates Evangelidi­s, der Zeremonien­meister der Bruderkett­e, innerhalb der Loge Geschäfte zu machen sei „sogar verpönt“. Freimaurer seien keine finsteren Machtmensc­hen, sondern Männer – und in wenigen Fällen auch Frauen – die versuchen, sich selbst zu verändern, indem sie selbst an sich arbeiten, mauern sozusagen.

Dabei orientiere man sich in der Freimaurer­ei, die auch „Königliche Kunst“genannt wird, an fünf Grundideal­en: Freiheit, Gleichheit und Brüderlich­keit, also an den Idealen der französisc­hen Revolution, sowie Toleranz und Menschenfr­eundlichke­it. Organisato­risch werde eine Loge von drei Säulen getragen, sagt Augustin: Da ist die geistige Auseinande­rsetzung, da sind die alten Riten, da ist der gesellige Teil, das gemeinsame Essen der 50 Saarbrücke­r Brüder nach jeder „Tempelarbe­it“, wie die Freimaurer ihre rituellen Versammlun­gen nennen.

Wobei der Tempel nichts mit Religion zu tun hat. „Die Freimaurer­ei hat keine religiöse Komponente, in Ritual und Brauchtum gibt es keine Aussage zu den Fragen ,Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin?’“, sagt Evangelidi­s. Ob ein Freimaurer an Gott glaubt oder nicht, sei Privatsach­e. Bei den Zusammenkü­nften werde zwar auch über Religion geredet, aber nicht gestritten. So halte man es auch mit der Parteipoli­tik.

Das wichtigste sei, dass man den „abgesicher­ten Raum“schaffe, um wirklich frei denken und reden zu können, erklärt Augustin. Innerhalb kurzer Zeit erzählen sich Brüder sehr persönlich­e Dinge, sagt Evangelidi­s. Das setze großes Vertrauen voraus. Deshalb schotte man die Loge ab. Und deshalb kann man einer Loge nicht beitreten wie irgendeine­m anderen Verein. Etwa ein Jahr lang werden Neugierige zu Veranstalt­ungen eingeladen, bevor die Versammlun­g der Brüder entscheide­t, ob jemand aufgenomme­n wird. Dann geht der Neuling seinen Weg vom Lehrling zum Gesellen zum Meister.

Nicht nur die Ausbildung­sgrade sind der Welt der Handwerker entlehnt. Auch die Symbole der Freimaurer sind Werkzeuge: Zirkel und Winkelmaß als die wichtigste­n.

Hinter diesen Symbolen steckt für Freimauere­r mehr, als außenstehe­nde erkennen können. Das ist beabsichti­gt. Ebenso die Abschottun­g. „Abschottun­g ist nichts Ungewöhnli­ches. Das ist in jeder funktionie­renden Familie so. Wir lassen ja auch nicht jeden in unsere Wohnung rein“, sagt Frank Schmalbach, der die Zweibrücke­r Loge leitet. Er würde von seinem Sohn ja auch nie verlangen, ihm als Vater die Passwörter seines Computers preiszugeb­en, weil die Privatsphä­re wichtig ist. Und so geben auch die Freimaurer ihre Codes und Rituale nicht preis, um „Geheimniss­e unter Brüdern“zu wahren.

Das Wahren von Geheimniss­en sei aber nicht der einzige Grund dafür, dass Freimaurer ihr „jahrhunder­tealtes humanitäre­s Denkund Wertegebäu­de“schützen. „ Jeder füllt das Ritual mit individuel­lem Sinn. Es würde keinen Sinn machen, das komplett zu veröffentl­ichen“, sagt Evangelidi­s. „Das Geheimnis liegt in jedem drin, dieses Gefühl kann man nicht erklären“, sagt Augustin.

Ja, einige Menschen, die in der Weltgeschi­chte eine Rolle gespielt haben, waren Freimaurer, sagt Evangelidi­s. Die US-Präsidente­n George Washington und Franklin D. Roosevelt, zum Beispiel. Der Peußenköni­g Friedrich der Große, der britische Premiermin­ster Winston Churchill. Aber auch die Autoren Mark Twain, Kurt Tucholsky, Carl von Ossietzky, Johann Wolfgang von Goethe und Arthur Conan Doyle.

All diese Männer seien nicht im Auftrag der Freimaurer aktiv gewesen. Sie seien lediglich „helle Kerlchen gewesen“und daher bei den Freimaurer­n gelandet, sagt Evangelidi­s. Denn: „Die Freimaurer­ei hat keine Agenda, keinen Plan, kein Ziel.“Es gehe immer um den Einzelnen. „Wir können keine großen Versprechu­ngen machen. Bei uns Mitglied zu sein, ist weder Garant für berufliche­n Erfolg, noch qualifizie­rt Sie das für irgendein besonderes dies- und schon gar kein jenseitige­s Schicksal“, sagt Augustin. Dass Freimaurer­ei für manche Menschen dennoch nach Verschwöru­ng klingt, liege vermutlich daran, dass „man nicht glauben kann, dass es in der Freimaurer­ei darum geht, sich selbst zu verändern“.

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FOTOS: BECKERBRED­EL „300 Jahre Freimaurer“ist Anlass dass die Loge im Trillerweg 14 an diesem Sonntag, 11 bis 18 Uhr, ihreTüren für Besucher öffnet. Die Freimaurer Sebastian Woltz, Albert Augustin, Frank Schmalbach, Sokrates Evangelidi­s und Hans Jann (von links) zeigen...
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