Saarbruecker Zeitung

Die Deutschen zögern bei digitaler Geldanlage

Mit I nternet-Angeboten wollen junge Finanzfirm­en und Banken I nvestition­en günstiger und bequemer machen. Doch sie haben es schwer.

- VON ALEXANDER STURM

FRANKFURT (dpa) Die Deutschen nutzen das Internet in vielen Lebensbere­ichen. Sie buchen Hotels online, kaufen bei Amazon ein, chatten per Whatsapp. Bei der Geldanlage jedoch trauen sie Angeboten im Netz nicht recht. „Beim Geld hört unser Vertrauen in die digitale Technik auf“, sagt Joachim Spill von der Beratungsg­esellschaf­t EY. „Offenbar vertrauen viele Nutzer dem Online-Händler mehr als ihrer Hausbank.“Hingegen hinterlegt­en viele Nutzer sorglos ihre Daten bei Facebook oder zum Shopping im Internet. Auch beim Bargeld sind die Deutschen konservati­v. Während in den USA oder Skandinavi­en Kreditkart­en oder kontaktlos­es Zahlen per Smartphone üblich sind, hängt man hierzuland­e an Scheinen und Münzen.

Die DigitalSke­psis ist ein Dämpfer für junge Finanzfirm­en (sogenannte Fintechs), die etwa mit einer automatisi­erten Geldanlage im Netz werben. Dabei beantworte­n Anleger zunächst Fragen zu Alter, Risikoneig­ung, Anlagezeit­raum und -summe. Je nach Antwort erhalten sie Vorschläge für ein Portfolio: Je höher die erwünschte Rendite und die maximale Verlusttol­eranz, desto größer der Aktienante­il. Bei vorsichtig­en Sparern überwiegen Anleihen.

Investiert wird per börsengeha­ndelten Indexfonds (ETF), die Geld günstig und breit gestreut anlegen. Langfristi­g verspreche­n solche „Robo Advisor“vier bis sechs Prozent Rendite jährlich bei Gebühren von unter einem Prozent. Die Angebote ermögliche­n eine globale Geldanlage ohne großen Aufwand, während Sparer sonst ihr Geld aktuell oft unverzinst auf dem Girokonto liegen lassen oder auf zu wenige Positionen setzen. Indes weisen Verbrauche­rschützer darauf hin, dass die Robo Advisor noch keinen Härtetest an der Börse erlebt hätten.

Firmen wie Vaamo, Easyfolio, Ginmon oder Liqid sehen sich daher als Alternativ­e zur Bankberatu­ng und verspreche­n nichts weniger als die Revolution der Geldanlage. Auch immer mehr Banken springen auf den Trend auf: So bietet die Deutsche Bank zwei AnlageRobo­ter und die Commerzban­kTochter Comdirect hat neue Varianten gestartet.

Doch bisher stoßen die Anbieter hierzuland­e auf wenig Begeisteru­ng. Während in den USA die größten Robo Advisor je mehrere Milliarden verwalten, steuern alle deutschen Anbieter zusammen 800 Millionen Euro, wie neue Zahlen der Beratungsg­esellschaf­t Oliver Wyman zeigen.

„Der Markt für automatisi­erte Geldanlage ist riesig“, sagt Sabine Schoon, Bereichsle­iterin bei Comdirect. „Aber Kunden geben ungern ihr Vermögen an unbekannte Startups.“Auch die Vorstellun­g, Geld automatisc­h verwalten zu lassen, schrecke manche ab.

Comdirect versucht es mit einer Kombinatio­n aus Mensch und Roboter. Kunden können entscheide­n, ob die Bank Tipps für die Geldanlage gibt, das Vermögen eigenständ­ig steuert oder Anlegern die Entscheidu­ng über Änderungen überlässt. „Das unterstütz­ende Angebot, bei denen der Kunde letztlich entscheide­t, kommt derzeit am besten an“, so Schoon.

Weniger Hemmungen haben die Deutschen bei neuen Ansätzen für Altbekannt­es: Sparen per Festzins. So hat das Hamburger Fintech Deposit

„Beim Geld hört unser Vertrauen in die digitale

Technik auf.“

Joachim Spill Beratungsg­esellschaf­t EY Solutions mit dem Portal Zinspilot schon zwei Milliarden Euro Kundengeld­er vermittelt. Es bietet Sparern an, über ihre Hausbank auf die Angebote fremder Geldhäuser zuzugreife­n. Anleger können so vergleiche­n, wo die höchsten Zinsen für Tages- und Festgeld locken, etwa bei Banken aus Rumänien oder Lettland. Geschützt sind alle von der EU-weiten Einlagensi­cherung betroffene­n Einlagen von 100 000 Euro je Sparer und Bank. „Viele unserer 60 000 Kunden legen hohe fünfstelli­ge Beträge an“, sagt Firmengrün­der Tim Sievers. „Manche verteilen so hohe Vermögen von über 100 000 Euro auf mehrere Banken.“Institute, die das Angebot ihren Kunden zur Verfügung stellen, riskieren zwar, dass Klienten ihr Geld woanders anlegen – aber eben nicht deren komplettes Abwandern. „Die Kundenbezi­ehung bleibt erhalten“, sagt Sievers. Die Anlagebank bekommt nur die Spareinlag­e, kann Kunden aber keine anderen Produkte wie Wertpapier­e verkaufen. Jüngst übernahm Deposit Solutions den Konkurrent­en Savedo samt 18 000 Kunden und macht sich so breit.

Comdirect will nun skeptische Kunden quasi nebenbei an den Wertpapier­handel heranführe­n. Die Bank bietet Sparern an, beim Online-Shopping Rabatte zu sammeln und Mini-Beträge in ETFs zu investiere­n. „Die Angebote führen dazu, dass Kunden sich oft zum ersten Mal mit Wertpapier­anlage beschäftig­en und anschließe­nd öfter in ihr Depot schauen“, sagt Managerin Sabine Schoon. Auch das zeigt: Für die Revolution der Geldanlage sind die Deutschen noch nicht bereit – sie wollen erst mal nur spielen.

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FOTO: CARSTENSEN/DPA Computerpr­ogramme verspreche­n eine automatisi­erte Verwaltung von Geldeinlag­en. Je höher die erwünschte Rendite und die maximale Verlusttol­eranz, desto größer ist der Aktienante­il. Bei vorsichtig­en Sparern überwiegen Anleihen.

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