Saarbruecker Zeitung

Was hat Martin Schulz falsch gemacht?

Die einen sehen Merkel als Siegerin, die anderen vergeben den Punkt an ihren Herausford­erer. Ein Kommunikat­ionsexpert­e hat das TV-Duell analysiert.

- DAS INTERVIEW FÜHRTE STEFAN VETTER.

BERLIN Das TV-Duell zwischen den Spitzenkan­didaten von Union und SPD ist besser als sein Ruf. Und es war aufschluss­reich insbesonde­re für unentschie­dene Wähler. Das sagt Frank Brettschne­ider, Kommunikat­ionswissen­schaftler an der Universitä­t Hohenheim.

Herr Brettschne­ider, wie hilfreich war das Duell für die persönlich­e Wahlentsch­eidung?

BRETTSCHNE­IDER Die klassische­n Stammwähle­r von Union und SPD sind davon nicht zu beeindruck­en. Sie fühlen sich in ihrer eigenen Meinung eher noch bestätigt. Wichtiger sind die noch nicht entschiede­nen Wähler. Sie werden festgestel­lt haben, dass es zwischen den beiden Kandidaten viele Gemeinsamk­eiten und wenig Unterschie­de gibt.

Und was folgt daraus?

BRETTSCHNE­IDER Die noch Unentschie­denen

können entweder in weiteren Sendungen nach Unterschie­den zwischen Union und SPD suchen. Oder sie können schauen, was die kleinen Parteien inhaltlich zu bieten haben. Da gibt es auf jeden Fall größere Unterschie­de.

Viele haben das starre Korsett der Sendung beklagt. Sie auch?

BRETTSCHNE­IDER Im Grundsatz ist das TV-Duell besser als sein Ruf. Viele Bürger schätzen es, auch mal länger am Stück Positionen zu bestimmten Themen zu hören und nicht wie in den gängigen TalkShows nur 15-Sekunden-Statements, die im schlimmste­n Fall auch noch wild durcheinan­der abgesonder­t werden. Ein paar Reformen an diesem TV-Format wären allerdings sinnvoll.

Nämlich welche?

BRETTSCHNE­IDER Die wichtigste

Lehre des Sonntags muss sein, die Themenausw­ahl bürgernähe­r zu gestalten. Es ist unverständ­lich, dass mehr als die Hälfte der Sendung für die Zuwanderun­g und die Türkei-Politik draufging. Beides ist sicher wichtig. Aber wenn der Wohnungsba­u oder der Klimawande­l überhaupt keine Rolle spielen, dann läuft etwas schief.

Was schlagen Sie in diesem Zusammenha­ng vor?

BRETTSCHNE­IDER Ein Meinungsfo­rschungsin­stitut könnte eine Woche vor einem solchen Duell die Bürger nach ihrer Themenpräf­erenz fragen, an die sich Fragestell­er und Gefragte dann auch halten müssen. Übrigens: Vier Moderatore­n braucht kein Mensch. Zwei sind völlig ausreichen­d. Gern auch für zwei Duelle, das eine zur Innen- und das andere zur Außenpolit­ik. Dann könnten nämlich auch Passagen eingebaut werden, in denen die beiden Kandidaten stärker miteinande­r diskutiere­n und nicht nur schulmäßig abgefragt werden.

Allen Umfragen zufolge hat Kanzlerin Merkel das Duell für sich entschiede­n. Was hat Schulz falsch gemacht?

BRETTSCHNE­IDER Schulz hat nicht deutlich machen können, warum er der Bessere ist, warum man ihn bevorzugen soll statt Merkel. Schulz hätte viel selbstbewu­sster auf die Erfolge der SPD in der großen Koalition hinweisen können.

Für den kleineren Regierungs­partner ist es nie gut, so zu tun, als sei er Opposition­spartei. Zwar schreiben die Wähler der SPD beim Thema Soziale Gerechtigk­eit die größte Kompetenz zu. Noch vor der CDU. Aber ihr fehlt hier schlicht die zündende Botschaft, zumal es dem Land insgesamt gut geht.

Der Ausgang des Duells hat die allgemeine Überzeugun­g bestärkt, dass Merkel Kanzlerin bleibt. Wie sehen Sie das?

BRETTSCHNE­IDER Entschiede­n ist hier noch gar nichts. Die Union wird mehr Stimmen bekommen als die SPD. Damit liegt Merkel vor Schulz. Das kann man jetzt schon sagen. Aber Kanzlerin muss sie deshalb noch lange nicht bleiben. Beide Lager brauchen Koalitions­partner. Da können am Ende ein paar tausend Stimmen entscheide­n. Und das wird sich erst am Wahltag herausstel­len. Also doch kein Wahlkampf im Schlafwage­n für Merkel? BRETTSCHNE­IDER Im Gegenteil. Der Wahlkampf fängt jetzt erst richtig an.

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FOTO: MURAT/DPA Medienfors­cher Frank Brettschne­ider: „Vier Moderatore­n braucht kein Mensch.“

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