Saarbruecker Zeitung

Die Diesel-Krise ist eine Chance für die Städte

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Unversehen­s redet die Bundeskanz­lerin mit Städten und Gemeinden über – man hört richtig! – Luftqualit­ät. Unversehen­s ist der Ausbau des öffentlich­en Personenna­hverkehrs ein Top-Thema, ebenso der Radverkehr und die Elektromob­ilität. Das alles geschieht nicht aus Gründen der Vernunft. Die ökologisch­e Republik ist nicht über Nacht ausgebroch­en, nicht bei Merkel und auch nicht bei den meisten Bürgermeis­tern. Es geschieht, um des Deutschen liebstes Kind, das Auto, speziell den Diesel, vor drohenden Fahrverbot­en zu schützen, jetzt da die Schummelei der Konzerne bei den Emissionen aufgefloge­n ist.

Aber sei es drum, die Krise des Diesels kann trotzdem zur Chance für die Städte werden. Denn nun fließt Geld, eine Milliarde Euro.

Ein Viertel davon zahlen die Automobilk­onzerne. Das ist wenigstens eine kleine Wiedergutm­achung für ihren Hochmut. Es liegt an den Kommunen, das Geld jetzt sinnvoll auszugeben. Die Menschen in den Städten werden nicht nur durch die Abgase belästigt, auch der Lärm ist schlimm, dazu die Versiegelu­ng der Landschaft und die Unfallgefa­hr. Die Städte verlieren durch den Autoverkeh­r massiv an Lebensqual­ität, weshalb zum Beispiel mehr grüne Wellen zwar der Luft helfen würden, alle anderen Probleme aber nur verstärken. Autofahrer, die jetzt widersprec­hen, mögen sich ehrlich fragen, ob sie selbst an der Straße wohnen möchten, durch die sie täglich pendeln.

Ziel muss es sein, den privaten Pkw-Verkehr zu reduzieren, vor allem den der Pendler. Dass so viele den Wagen nutzen, um – meist ganz allein – zur Arbeit oder zum Einkaufen zu fahren, ist ja nicht nur ihrer Bequemlich­keit geschuldet, auch wenn die in vielen Fällen eine Rolle spielt. Sondern genauso auch mangelnden Alternativ­en. Zu wenig Park-and-Ride-Möglichkei­ten, zu schlechte Verbindung­en, zu große Takte bei Bussen und Bahnen. Wenn dem in vielen Städten überdimens­ionierte Straßen gegenübers­tehen und Bauvorschr­iften, die für ein großes Angebot an Tiefgarage­n sorgen, muss man sich über Autoverkeh­r nicht wundern.

Auch so mancher Bürgermeis­ter trägt daher Mitverantw­ortung für die jetzt zu Tage getretenen Probleme. Deshalb klingt es ziemlich hohl, wenn die Städte nur nach mehr Geld rufen. Gefragt ist vielmehr eine intelligen­tere lokale Verkehrspo­litik – Radschnell­wege und -leihsystem­e, Elektrorol­ler, Carsharing, vor allem mehr öffentlich­e Verkehrsan­gebote. Das Zweite ist der Wirtschaft­sverkehr, wozu übrigens auch der eigene Fuhrpark der Kommunen gehört. Es ist völlig unverständ­lich, warum nicht wenigstens die Busse schneller auf saubere Antriebe umgestellt werden. Freilich setzt ein Umsteuern beim gewerblich­en Verkehr voraus, dass es genug Ladestatio­nen für Elektrofah­rzeuge gibt und dass entspreche­nde Fahrzeuge überhaupt im Angebot sind. Dass die Post ihre Elektro-Sprinter selbst bauen musste, spricht Bände über das, was in Deutschlan­d verkehrspo­litisch los war und ist: Ignoranz und Fantasielo­sigkeit auf vielen Seiten. Das muss sich ändern.

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