Saarbruecker Zeitung

Eine Milliarde für saubere Luft

Viele Städte befürchten Fahrverbot­e für DieselAuto­s. Der Bund legt nun bei der Förderung von Maßnahmen gegen Luftversch­mutzung eine halbe Milliarde drauf.

- VON TERESA DAPP UND SASCHA MEYER

BERLIN (dpa) Erst vier Wochen ist es her, dass die Bundesregi­erung zum großen Dieselgipf­el lud. Autobosse, Verbandsch­efs und Ministerpr­äsidenten kamen nach Berlin, um über Maßnahmen gegen zu schmutzige Luft in Städten zu beraten. Nur die Chefin war nicht da. Jetzt hat sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) persönlich eingeklink­t und mit Bürgermeis­tern aus der halben Republik an den Tisch gesetzt. Auch SPD-Vizekanzle­r Sigmar Gabriel war dabei. Ergebnis: Der Bund macht eine halbe Milliarde zusätzlich locker. Hier die Hintergrün­de und Details: Was ist das Problem in den Städten? In vielen Kommunen ist die Luft mit gesundheit­sschädlich­em Stickoxid (NOx) aus Diesel-Auspuffen belastet. Deutschlan­d hat deswegen schon Ärger mit der Europäisch­en Union. Autofahrer­n könnten gerichtlic­h erzwungene Fahrverbot­e in vielen Städten drohen, wenn Grenzwerte anders nicht einzuhalte­n sind.

Was wurde im Kanzleramt beschlosse­n?

Der Bund stockt einen Fonds, der bisher 500 Millionen Euro schwer sein sollte, auf eine Milliarde auf. Davon soll die Autoindust­rie 250 Millionen zahlen, 750 Millionen der Bund. Das Geld stehe noch im laufenden Haushalt zur Verfügung, versprach Merkel. Und es soll nun allen Städten zugute kommen, die mit zu hohen NOx-Werten zu kämpfen haben. 2016 überschrit­ten mehr als 80 die Grenzwerte. Wofür ist das Geld gedacht?

Welche Projekte gefördert werden, ist noch offen. Klären soll das eine neue Koordinier­ungsstelle von Bund, Ländern und Städten. Gehen könnte es etwa um bessere Angebote im öffentlich­en Nahverkehr, eine schnellere Umstellung auf ElektroFah­rzeuge, bessere Ladeinfras­truktur, Leitsystem­e gegen Staus oder neue Radwege. Teils gibt es dafür auch schon bestehende Förderprog­ramme, unabhängig vom neuen Fonds.

Was soll sonst noch für saubere Luft getan werden?

Beim Dieselgipf­el sagten die deutschen Hersteller Anfang August neue Abgas-Software für zusätzlich­e 2,8 Millionen Fahrzeuge zu. Bei knapp 2,5 Millionen VW-Diesel ist das ohnehin amtlich angeordnet. Zudem bieten mehrere Marken Extraprämi­en für den Kauf sauberer Neuwagen an, damit alte Diesel von den Straßen kommen. Forderunge­n nach Umbauten direkt an den Motoren lassen die Konzerne bisher abprallen.

Sind Fahrverbot­e damit vom Tisch?

Nein, denn dafür muss die Luftversch­mutzung schnell unter die Grenzwerte gedrückt werden. Das Umweltbund­esamt hat schon ausgerechn­et, dass Software-Updates und Umtauschpr­ämien nicht ausreichen werden.

Sind die Städte mit dem Ergebnis zufrieden?

Gegen mehr Geld vom Bund hat niemand etwas einzuwende­n. Die Oberbürger­meister machten aber deutlich, dass Lösungen nicht überall gleich aussehen könnten. In München würde eine Umstellung der Busflotte auf E-Antrieb nur vier Prozent NOx einsparen, sagte Dieter Reiter (SPD). Sein Aachener Kollege Marcel Philipp (CDU) forderte eine „Vision, wo wir insgesamt hinwollen“. Der Stuttgarte­r Oberbürger­meister Fritz Kuhn (Grüne) mahnte, ohne eine bessere Finanzieru­ng des öffentlich­en Nahverkehr­s werde es nicht gehen. Und Michael Ebling (SPD) aus Mainz sagte, dass eine Milliarde nicht reichen werde.

Wie geht es weiter?

Merkel plant schon einen zweiten Dieselgipf­el im November. Da werde man „ein ganzes Stück weiter sein“. Gespräche mit der Autoindust­rie laufen weiter. Vier Expertengr­uppen beschäftig­en sich unter anderem mit Umrüstung und städtische­n Fahrzeugfl­otten, sie sollen im Herbst Ergebnisse vorlegen. Außerdem will der Bund die ausländisc­hen Autobauer ins Boot bekommen.

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FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA Für die Vertreter der Kommunen hat sich der Diesel-Gipfel offenbar gelohnt.

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