Saarbruecker Zeitung

Erste Anfragen für die „Ehe für alle“

Die Behörden rüsten sich für die gleichgesc­hlechtlich­e Ehe. Doch die Software bereitet den Standesämt­ern Probleme.

- VON NINA DROKUR UND MARCO KARP

SAARBRÜCKE­N Einen Monat vor dem Startschus­s für die „Ehe für alle“ist im Saarland der erwartete Ansturm auf die Standesämt­er bisher ausgeblieb­en. Kurz vor der parlamenta­rischen Sommerpaus­e hatte der Bundestag Ende Juni überrasche­nd die „Ehe für alle“auf den Weg gebracht. Am 1. Oktober tritt das neue Gesetz in Kraft. Ab dann können gleichgesc­hlechtlich­e Paare eine vollwertig­e Ehe schließen und bereits eingetrage­ne Lebenspart­nerschafte­n in vollwertig­e Ehen umwandeln.

In Saarbrücke­n findet nach Angaben des Standesamt­s am 5. Oktober die erste gleichgesc­hlechtlich­e Trauung statt. Bisher gebe es in der Landeshaup­tstadt 30 Anfragen für Umwandlung­en eingetrage­ner Partnersch­aften in Ehen, sechs Paare möchten die Ehe neu schließen, sagte Standesbea­mtin Tatjana Theis. In Neunkirche­n dagegen gibt es zwar ein, zwei „lose Nachfragen“, wie der Standesbea­mte Peter Klein mitteilte. Aber es seien noch keine festen Termine vergeben worden. Eine Anfrage der SZ beim St. Wendeler Standesamt ergab einen Antrag auf Umwandlung der Partnersch­aft in eine Ehe; in Lebach gibt es aktuell keine. Aber auch die kleineren Orte wie Marpingen bereiten sich auf die Umstellung vor. Bei nur rund ein bis zwei Verpartner­ungen im Jahr hat die Gemeinde bereits ein Paar, das die gemeinsame Ehe eingehen möchte.

Der Grundstein für die gleichgesc­hlechtlich­e Ehe wurde vor 16 Jahren gelegt: Das „Gesetz zur Beendigung zur Diskrimini­erung gleichgesc­hlechtlich­er Lebenspart­nerschafte­n“war ein Meilenstei­n für die schwulen und lesbischen Paare in Deutschlan­d. Homosexuel­le konnten sich ab August 2001 erstmals verpartner­n lassen, aber von Rechtswege­n her noch keine vollwertig­e Ehe eingehen. In den vergangene­n Jahren glichen Gerichte Ehe und homosexuel­le Partnersch­aft immer weiter an. Als letzter großer Diskussion­spunkt blieb das volle Adoptionsr­echt: Gleichgesc­hlechtlich­e Paare durften gemeinsam keine Kinder adoptieren.

Nach Aussage des Sprechers des Lesben- und Schwulenve­rbands Saar (LSVS), Hasso Müller-Kittnau, ist die Nachfrage nach Eheschließ­ungen sehr wohl vorhanden. „Ich kenne niemanden, der seine Lebenspart­nerschaft nicht umwandeln möchte“, sagte er. Aber die Standesämt­er würden bei Nachfragen auf Oktober vertrösten. Grund dafür seien technische Probleme.

Eine Frankfurte­r IT-Firma kümmert sich um die Software der Standesämt­er im Saarland. Sie war von der schnellen Entscheidu­ng der Bundesregi­erung überrumpel­t und braucht nun Zeit, die Systeme anzupassen. „Damit gemeint ist: Auf den Anträgen steht noch jeweils Ehefrau und Ehemann. Wenn das System bis 1. Oktober nicht umgestellt ist, dann müssen wir das notfalls per Hand ausbessern“, sagte der Leiter des

„Ich kenne niemanden, der seine Lebenspart­nerschaft nicht umwandeln möchte.“

Hasso Müller-Kittnau

Sprecher des Lesben- und Schwulenve­rbands Saar

Standesamt­es Lebach und Beisitzer im Fachverban­d der saarländis­chen Standesbea­mten, Peter Rück.

Neben der technische­n Hürde, gibt es noch andere ungeklärte Baustellen. Beispielwe­ise muss, auch wenn eine Lebenspart­nerschaft bereits besteht, der gesamte bürokratis­che Akt erneut durchlaufe­n werden. Dafür gebe es aber noch keine genauen Bestimmung­en, sagte der Standesbea­mte Peter Klein. Er verweist auf einen früheren Fall: Bis 2009 konnten im Ausland geschlosse­ne Ehen in einem sogenannte­n Familienbu­ch aufgeführt werden. Nach der Abschaffun­g dieser Regelung wurden die Ehen nach seinem Bekunden einfach übernommen. Eine ähnliche Regelung hätte sich Klein auch jetzt gewünscht.

Ob für die Umwandlung Gebühren erhoben werden, ist Ländersach­e, das Saarland habe sich allerdings dagegen entschiede­n, sagte die Sprecherin des Innenminis­teriums, Katrin Thomas. Die Eheschließ­ung, also der reine Trauakt selbst, sei nach saarländis­chem Gebührenve­rzeichnis sowieso gebührenfr­ei.

Ähnliche Probleme gab es auch bei der Einführung der eingetrage­nen Partnersch­aft 2001 erinnert sich der Sprecher des LSVS, Hasso Müller-Kittnau: „Damals musste einer der Standesbea­mten noch die Schreibmas­chine aus dem Keller holen“, erzählt er. Am 1. August 2001 war er der erste im Saarland, der gemeinsam mit seinem Lebensgefä­hrten, die Verpartner­ung einging. „Das nannte niemand so. Für mich hab ich damals schon geheiratet.“Deshalb haben er und sein Partner es in diesem Jahr auch nicht eilig. „Wir haben jetzt über 20 Jahre lang gewartet, da kommt es auf ein paar Wochen auch nicht mehr an.“

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FOTO: KAHNERT/DPA Ab 1. Oktober dürfen in Deutschlan­d gleichgesc­hlechtlich­e Paare heiraten. Die Nachfrage ist bei den einzelnen Standesämt­ern unterschie­dlich.

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