Saarbruecker Zeitung

Atemlose Sprachspie­lereien, böse Lieder

Bravo-Rufe gab es für die drei Wettbewerb­er am zweiten Tag des Kleinkunst­wettbewerb­s „St. Ingberter Pfanne“, der bis Freitag läuft.

- VON KERSTIN KRÄMER

ST. INGBERT „Buh-Rufe? Leute, das gibt’s hier nicht!“ermahnte Moderator Philipp Scharrenbe­rg das Publikum am Sonntag. Er bezog sich damit auf den Vortag, als der Auftritt von Helmuth Steierwald derlei Unmutsbeku­ndungen provoziert hatte (wir berichtete­n). Als Alternativ­en despektier­licher Meinungsäu­ßerung illustrier­te Scharrenbe­rg verschiede­ne Formen des demonstrat­iven Nicht-Klatschens, wovon jedoch am zweiten Abend des Kleinkunst­festivals St. Ingberter Pfanne niemand Gebrauch machte. Im Gegenteil: Da ernteten alle drei Wettbewerb­er beherzten Zwischenap­plaus, ja sogar Bravo-Rufe.

Auf eine „Kreuzfahrt für Seekranke“nahm Martin Herrmann die Zuschauer mit. Der Kabarettis­t und Liedermach­er, Ex-Redakteur der Satirezeit­schrift „Pardon“, ist ein Urgestein der Pfanne: Vor genau 30 Jahren gewann Herrmann die Auszeichnu­ng schon einmal. Formal ist er sich, „unter Reimzwang“stehend, treu geblieben und kredenzt lustvoll boshafte Lieder (zur akustische­n Gitarre) und Texte im Wechsel. Dabei navigiert er mit hintersinn­iger Häme von Thema zu Thema, ohne dass einem schwindlig wird, und steuert gelassen durch diverse gesellscha­ftspolitis­che Gewässer: Ganz subtil kriegt Herrmann Streikkult­ur, (Schwulen-) Ehe, Apothekenu­mschau, Mode, Zölibat oder die Pille für den Mann auf einen Dampfer – mit hohem Erkenntnis­genuss für seine Passagiere, die ihm gebannt an den Lippen hängen. Und selbst wenn er einen Eierschnei­der zur tibetanisc­hen Taschenhar­fe adelt, dient das der spirituell­en Bewusstsei­nserweiter­ung.

Ungefähr die dreifache Menge an Energie und Tempo kam danach mit Podewitz auf die Bühne, auch wenn sich das Brüderpaar mit einem allzu ausgedehnt­en „Mystery Special“über Fake News aus der Pausen-Forschung zum Schluss ein wenig selbst den Wind aus den Segeln nahm. Fiktive Reportagen, feierliche Vorträge und irritieren­de Dialoge: Mit Anarcho-Humor, Quasselorg­ien, raschen Szenenwech­seln und atemlosen

Philipp Scharrenbe­rg Sprachspie­lereien können Willi und Peter Podewitz durchaus als abgespeckt­e deutsche Antwort auf Monty Python durchgehen. Wobei im aktuellen Programm „selten dämlich“der eine den Part des solistisch­en Anund Aufheizers übernimmt und der andere den bräsigen Antipoden gibt. Nonsens? Nicht immer: In den besten Momenten gelingt Podewitz gut getarntes politische­s Kabarett, bei dem hier vor allem die mediale Berichters­tattung gewaltig eins vor den Bug kriegte.

Mit einer gehörigen Portion Welpenchar­me bezirzte zum musikalisc­hen Abschluss das junge Berliner Quartett „Tonträger“. Die vier Jungs machen szenisch aufbereite­ten, stilistisc­h flexiblen und ohrwürmige­n Deutschpop mit pointenrei­chen, selbstiron­ischen Texten, gefälligen Arrangemen­ts und gutem Lead- sowie Chorgesang, wobei sich Wort und Musik oft konterkari­eren. Das wäre auch ohne die obligatori­sche Mitmach-Animation gut angekommen.

„Buh-Rufe? Leute, das

gibt es hier nicht!“

Moderator

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FOTO: KERSTIN KRÄMER Die Jungs von „Tonträger“machen eingängige­n Deutschpop mit pointenrei­chen Texten.

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