Atemlose Sprachspielereien, böse Lieder
Bravo-Rufe gab es für die drei Wettbewerber am zweiten Tag des Kleinkunstwettbewerbs „St. Ingberter Pfanne“, der bis Freitag läuft.
ST. INGBERT „Buh-Rufe? Leute, das gibt’s hier nicht!“ermahnte Moderator Philipp Scharrenberg das Publikum am Sonntag. Er bezog sich damit auf den Vortag, als der Auftritt von Helmuth Steierwald derlei Unmutsbekundungen provoziert hatte (wir berichteten). Als Alternativen despektierlicher Meinungsäußerung illustrierte Scharrenberg verschiedene Formen des demonstrativen Nicht-Klatschens, wovon jedoch am zweiten Abend des Kleinkunstfestivals St. Ingberter Pfanne niemand Gebrauch machte. Im Gegenteil: Da ernteten alle drei Wettbewerber beherzten Zwischenapplaus, ja sogar Bravo-Rufe.
Auf eine „Kreuzfahrt für Seekranke“nahm Martin Herrmann die Zuschauer mit. Der Kabarettist und Liedermacher, Ex-Redakteur der Satirezeitschrift „Pardon“, ist ein Urgestein der Pfanne: Vor genau 30 Jahren gewann Herrmann die Auszeichnung schon einmal. Formal ist er sich, „unter Reimzwang“stehend, treu geblieben und kredenzt lustvoll boshafte Lieder (zur akustischen Gitarre) und Texte im Wechsel. Dabei navigiert er mit hintersinniger Häme von Thema zu Thema, ohne dass einem schwindlig wird, und steuert gelassen durch diverse gesellschaftspolitische Gewässer: Ganz subtil kriegt Herrmann Streikkultur, (Schwulen-) Ehe, Apothekenumschau, Mode, Zölibat oder die Pille für den Mann auf einen Dampfer – mit hohem Erkenntnisgenuss für seine Passagiere, die ihm gebannt an den Lippen hängen. Und selbst wenn er einen Eierschneider zur tibetanischen Taschenharfe adelt, dient das der spirituellen Bewusstseinserweiterung.
Ungefähr die dreifache Menge an Energie und Tempo kam danach mit Podewitz auf die Bühne, auch wenn sich das Brüderpaar mit einem allzu ausgedehnten „Mystery Special“über Fake News aus der Pausen-Forschung zum Schluss ein wenig selbst den Wind aus den Segeln nahm. Fiktive Reportagen, feierliche Vorträge und irritierende Dialoge: Mit Anarcho-Humor, Quasselorgien, raschen Szenenwechseln und atemlosen
Philipp Scharrenberg Sprachspielereien können Willi und Peter Podewitz durchaus als abgespeckte deutsche Antwort auf Monty Python durchgehen. Wobei im aktuellen Programm „selten dämlich“der eine den Part des solistischen Anund Aufheizers übernimmt und der andere den bräsigen Antipoden gibt. Nonsens? Nicht immer: In den besten Momenten gelingt Podewitz gut getarntes politisches Kabarett, bei dem hier vor allem die mediale Berichterstattung gewaltig eins vor den Bug kriegte.
Mit einer gehörigen Portion Welpencharme bezirzte zum musikalischen Abschluss das junge Berliner Quartett „Tonträger“. Die vier Jungs machen szenisch aufbereiteten, stilistisch flexiblen und ohrwürmigen Deutschpop mit pointenreichen, selbstironischen Texten, gefälligen Arrangements und gutem Lead- sowie Chorgesang, wobei sich Wort und Musik oft konterkarieren. Das wäre auch ohne die obligatorische Mitmach-Animation gut angekommen.
„Buh-Rufe? Leute, das
gibt es hier nicht!“
Moderator