Saarbruecker Zeitung

Die alten Hits als sanftes Ruhekissen? Nicht bei Paul Weller

- VON TOBIAS KESSLER

SAARBRÜCKE­N Alternde Rockstars, die vor allem auf alte Hits setzen, auf gemütliche kollektive Nostalgie, sind oft eine traurige Angelegenh­eit – das Eingeständ­nis, den Zenit überschrit­ten zu haben. Gut, dass es bei Paul Weller nicht so ist. Er könnte problemlos einen Best-OfAbend kredenzen – aber sein Konzert am Sonntag in der Garage ist betont unnostalgi­sch. Dabei ist das Songbook des Briten prall gefüllt, erlebt er doch schon seine dritte Karriere (und die schon seit 25 Jahren). 19 war er, als 1977 die erste Single seiner Band The Jam erschien. Weller verband jugendlich­en Sturm und Drang mit spitzzüngi­gen Texten über das England unter Thatcher und mit seiner Liebe zum Rock der Kinks, der Beatles und The Who. Weller wurde das, was man gemeinhin „Sprachrohr“seiner Generation nennt; nur wollte er wohl kein Sprachrohr sein, löste The Jam auf dem Gipfel des Erfolgs auf, kleidete sich in Kaschmir-Pullover und gründete die Pop-Soul-Combo The Style Council. Das machte ihn zwar bei jener Fraktion verdächtig, die nur verschwitz­te Rockmusik für „ehrlich und authentisc­h“hält. Aber ob ihn das kümmerte?

Seit 1992 werkelt er nun solo. 17 (!) Top-Ten-Alben in England gelangen ihm bisher, in Deutschlan­d sind die Verkäufe geringer und die Hallen kleiner; 600 Fans lockt er in die Garage zu dem Konzert, das mit der deutschen Band Pictures beginnt – mit britisch klingendem Gitarrenpo­p, mit schönen Refrains und manchen Anklängen an Oasis und die Beatles. Sehr gelungen.

Auftritt Weller, dem man seine 59 nicht ansieht, auch wenn das Haar mittlerwei­le silberfarb­en glänzt. In beigem Pullover, heller Tuchhose, edlem Schuhwerk und mit gepflegter Urlaubsbrä­une wirkt er so, als er sei er nicht prosaisch mit dem Tourbus angereist, sondern habe mit einer Yacht, vom Mittelmeer kommend, am Saarbrücke­r Osthafen angelegt. Mit viel Energie und einer famosen fünfköpfig­en Band wirft er sich hinein in das Zwei-Stunden-Programm mit vor allem jüngeren Songs: Rock mit Soul, Rhythm’n’Blues und erdigem Retro-Aroma. Weller fühlt sich wohl im Hier und Jetzt, nur kurz büxt er aus in alte Zeiten und spielt zwei Style-Council-Songs: „My ever changing moods“und vor allem „Shout to the top“strahlen eine poppige Leichtigke­it aus, die den späteren Solo-Nummern fehlt. Der Jubel ist groß, aber Weller widmet sich danach wieder der Gegenwart, The Jam bleibt sogar ganz außen vor.

Das kann man bedauern, muss es aber als eine souveräne Geste anerkennen. Manche jüngere Stücke wie „I’m where I should be“sind nichts wirklich Herausrage­ndes, aber es gibt genug Höhepunkte, zumal Weller unermüdlic­h malocht, zwischen Gitarre und Keyboards wechselt, dabei seinen Schlagzeug­er von einem weiteren Percussion­isten unterstütz­en lässt: Das hat viel Rums und entwickelt vor allem bei „Woo Sé Mama“einen fast hypnotisie­rend donnernden Rhythmus. „You do something to me“bietet als Kontrast schönsten Balladensc­hmelz, Wellers raues Organ und die gefühlvoll­e Melodie gehen eine glückliche Liebesehe ein. Im Zugabenblo­ck spielt Weller, der Anti-Nostalgisc­he, eine neue, noch unveröffen­tlichte Ballade, die eher routiniert als revolution­är ausfällt – aber es ist einfach gut, dass er da ist. Nach zwei Stunden geht er von der Bühne, mit einem „God bless you“, wohl so glücklich erschöpft wie das Publikum.

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FOTO: KESSLER Ziemlich lässige Schuhe! Paul Weller am Sonntag in der gut gefüllten Saarbrücke­r Garage.

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