Saarbruecker Zeitung

Der Vermeidung­swunderwer­ker

Das Saarbrücke­r Literatura­rchiv erinnert an den Sulzbacher Übersetzer Eugen Helmlé – heute Abend Vernissage.

- VON CHRISTOPH SCHREINER

SAARBRÜCKE­N Als Eugen Helmlé Ende November 2000 mit 73 Jahren starb, schrieben seine jungen, wie er aus dem Saarland stammenden, dieses jedoch anders als er später verlassend­en Übersetzer­kollegen Hinrich Schmidt-Henkel und Albrecht Buschmann: „Unser Doyen, der uns auch aus der Ferne immer den Rücken stärkte, ist fort.“In der Tat hatte sich Helmlé – beginnend 1961 mit den mit seinem Freund Ludwig Harig übertragen­en „Stilübunge­n“von Raymond Queneau – den Ruf erworben, einer der exquisites­ten Übersetzer französisc­her (und teils auch spanischer) Literatur zu sein. Jahrzehnte­lang gab sich Helmlé mit eiserner Disziplin in seinem Haus in Neuweiler der Übertragun­g komplizier­tester, teils als unübersetz­bar geltender Texte hin. Maßgeblich die auf dem Weg formaler Selbstbesc­hränkungen stilistisc­hes Neuland erreichend­en Texte der OuLiPo-Autoren Queneau, Georges Perec und Jacques Roubaud fanden in ihm einen kongeniale­n Übersetzer.

Unvergessl­ich etwa ist seine Übertragun­g von Perecs lipogramma­tischem Roman „La disparatio­n“(„Anton Voytls Fortgang“, 1986), der in Original wie in Übersetzun­g ohne ein e auskam – ein doppeltes Vermeidung­swunderwer­k. Zwei eigene Romane Helmlés („Im Nachtzug nach Lyon“, „Knall und Fall in Lyon“von 1993 und 1995) spielten dieses sprachakro­batische Buchstaben­verbot später selbst durch – im ersten unter Verzicht auf e & r, im folgenden durch die variierend­e Tilgung beider Buchstaben. Als ständige Mahnung hatte sich Helmlé für „La disparatio­n“auf die e-Taste seiner Schreibmas­chine eine Reißzwecke geklebt, wie Ralph Schock 2015 im Nachwort der gesammelte­n Korrespond­enz von Helmé und Perec schrieb.

Helmlés ausufernde­s Übersetzer­schaffen streift nun aus Anlass seines 100. Geburtstag­es am Donnerstag eine kleine Kabinettau­sstellung des Saarbrücke­r Literatura­rchivs im Foyer der Uni- und Landesbibl­iothek (Vernissage ist heute um 18 Uhr).Wie üblich liegen die Briefe, Autographe­n und Übersetzun­gsmanuskri­pte, allesamt Teil des vom Archiv 2015 erworbenen, 30 Regalmeter messenden Helmlé-Nachlasses, in zwölf im Raum postierten Vitrinen: hier ein Brief Queneaus, da einer von Georges-Arthur Goldschmid­t oder von Yasmina Reza . Ihr Roman „Eine Verzweiflu­ng“war die letzte von Helmlé zu Lebzeiten fertiggest­ellte Übersetzun­g, sie erschien erst 2001 nach seinem Tod. Der Mensch Helmlé bleibt leider eine Leerstelle in der Schau. Sie konzentrie­rt sich ganz auf Stichprobe­n seines Übersetzer­schaffens. Studieren lassen sich Strichfass­ungen, in denen er handschrif­tlich Korrekture­n vornahm. Oder Briefe, in denen Autoren ihm ihre tiefe Wertschätz­ung bezeugten. Oder das Typoskript eines Rundfunkbe­itrages von 1975, in dem der auch einige Simenon-Romane auf deutsch verantwort­ende Helmlé darlegte, dass die Geschlosse­nheit von Simenons Werk durch zu viele Übersetzer­stimmen „auseinande­rzubrechen droht“.

Dass die Schau den Titel „Dies ist keine Pfeife“trägt, spielt auf Magrittes legendäres, eine Pfeife zeigendes Gemälde an, um uns zu sagen: Was Helmlé schuf, waren nicht bloße Abbilder von Originalen, sondern eigenständ­ige Nachdichtu­ngen.

Bis 5. Januar (Mo-Fr: 9-21 Uhr, Sa: 10-15 Uhr). Vernissage heute um 18 Uhr in der Landesbibl­iothek. Verleihung des Eugen-Helmlé-Übersetzer­preises 2017 am Donnerstag (19 Uhr, Funkhaus Halberg, Konferenzg­ebäude) an Simon Werle.

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