Der Vermeidungswunderwerker
Das Saarbrücker Literaturarchiv erinnert an den Sulzbacher Übersetzer Eugen Helmlé – heute Abend Vernissage.
SAARBRÜCKEN Als Eugen Helmlé Ende November 2000 mit 73 Jahren starb, schrieben seine jungen, wie er aus dem Saarland stammenden, dieses jedoch anders als er später verlassenden Übersetzerkollegen Hinrich Schmidt-Henkel und Albrecht Buschmann: „Unser Doyen, der uns auch aus der Ferne immer den Rücken stärkte, ist fort.“In der Tat hatte sich Helmlé – beginnend 1961 mit den mit seinem Freund Ludwig Harig übertragenen „Stilübungen“von Raymond Queneau – den Ruf erworben, einer der exquisitesten Übersetzer französischer (und teils auch spanischer) Literatur zu sein. Jahrzehntelang gab sich Helmlé mit eiserner Disziplin in seinem Haus in Neuweiler der Übertragung kompliziertester, teils als unübersetzbar geltender Texte hin. Maßgeblich die auf dem Weg formaler Selbstbeschränkungen stilistisches Neuland erreichenden Texte der OuLiPo-Autoren Queneau, Georges Perec und Jacques Roubaud fanden in ihm einen kongenialen Übersetzer.
Unvergesslich etwa ist seine Übertragung von Perecs lipogrammatischem Roman „La disparation“(„Anton Voytls Fortgang“, 1986), der in Original wie in Übersetzung ohne ein e auskam – ein doppeltes Vermeidungswunderwerk. Zwei eigene Romane Helmlés („Im Nachtzug nach Lyon“, „Knall und Fall in Lyon“von 1993 und 1995) spielten dieses sprachakrobatische Buchstabenverbot später selbst durch – im ersten unter Verzicht auf e & r, im folgenden durch die variierende Tilgung beider Buchstaben. Als ständige Mahnung hatte sich Helmlé für „La disparation“auf die e-Taste seiner Schreibmaschine eine Reißzwecke geklebt, wie Ralph Schock 2015 im Nachwort der gesammelten Korrespondenz von Helmé und Perec schrieb.
Helmlés ausuferndes Übersetzerschaffen streift nun aus Anlass seines 100. Geburtstages am Donnerstag eine kleine Kabinettausstellung des Saarbrücker Literaturarchivs im Foyer der Uni- und Landesbibliothek (Vernissage ist heute um 18 Uhr).Wie üblich liegen die Briefe, Autographen und Übersetzungsmanuskripte, allesamt Teil des vom Archiv 2015 erworbenen, 30 Regalmeter messenden Helmlé-Nachlasses, in zwölf im Raum postierten Vitrinen: hier ein Brief Queneaus, da einer von Georges-Arthur Goldschmidt oder von Yasmina Reza . Ihr Roman „Eine Verzweiflung“war die letzte von Helmlé zu Lebzeiten fertiggestellte Übersetzung, sie erschien erst 2001 nach seinem Tod. Der Mensch Helmlé bleibt leider eine Leerstelle in der Schau. Sie konzentriert sich ganz auf Stichproben seines Übersetzerschaffens. Studieren lassen sich Strichfassungen, in denen er handschriftlich Korrekturen vornahm. Oder Briefe, in denen Autoren ihm ihre tiefe Wertschätzung bezeugten. Oder das Typoskript eines Rundfunkbeitrages von 1975, in dem der auch einige Simenon-Romane auf deutsch verantwortende Helmlé darlegte, dass die Geschlossenheit von Simenons Werk durch zu viele Übersetzerstimmen „auseinanderzubrechen droht“.
Dass die Schau den Titel „Dies ist keine Pfeife“trägt, spielt auf Magrittes legendäres, eine Pfeife zeigendes Gemälde an, um uns zu sagen: Was Helmlé schuf, waren nicht bloße Abbilder von Originalen, sondern eigenständige Nachdichtungen.
Bis 5. Januar (Mo-Fr: 9-21 Uhr, Sa: 10-15 Uhr). Vernissage heute um 18 Uhr in der Landesbibliothek. Verleihung des Eugen-Helmlé-Übersetzerpreises 2017 am Donnerstag (19 Uhr, Funkhaus Halberg, Konferenzgebäude) an Simon Werle.