Saarbruecker Zeitung

Harte Arbeit für eine ungewisse Zukunft

Fußballpro­fi Sebastian Jacob hat nach einer Verletzung noch keinen neuen Verein. Der Ex-FCK-Stürmer bleibt kämpferisc­h.

- VON TOBIAS FUCHS

SAARBRÜCKE­N Jeden Morgen sieht Sebastian Jacob dieses Trikot. Es hängt direkt am Eingang der Reha-Praxis, im Warteberei­ch. Signalrot. Oben steht 1. FC Kaiserslau­tern, unten Jacob. Es war mal seines. In der vergangene­n Woche endete im deutschen Fußball die Transferze­it. Die meisten Fans atmeten auf. Viele ärgerten sich. Wer sich im Juli das gute alte Kicker-Sonderheft angeschaff­t hat, kann es jetzt in die Papiertonn­e kloppen. Alle Angaben ohne Gewähr.

In der Floskelspr­ache des Standardwe­rks gibt es eine Formulieru­ng für jene Profis, die nicht gleich

Sebastian Jacob einen neuen Verein vorzuweise­n haben: Ziel unbekannt. Das gilt so auch für Sebastian Jacob. Sein Vertrag in Kaiserslau­tern lief am 30. Juni aus. In der Wechselfri­st hielt der Stürmer nirgendwo ein neues Leibchen in die Kamera. Er konnte nicht. Sein Berater musste alle Interessen­ten vertrösten. Jacob hat die vielen Transfers dieses Sommers nicht allzu aufmerksam verfolgt. „Es bringt mir nichts, großartig zu schauen, wer wohin geht“, sagt der 24-Jährige. Er schaut nur auf sich. Nach einer Knie-Operation im Mai müht sich Jacob in der Reha.

Das Pensum dieses Tages hat der Profi hinter sich, als er sich setzt. Ein Café am St. Johanner Markt. Das letzte Interview fand im Fritz-Walter-Stadion statt, freundlich beaufsicht­igt von einem Pressespre­cher. Diesmal sitzt niemand mit am Tisch. Jacob trägt ein weißes T-Shirt. Kein Wappen. Kein Sponsor. Bis auf weiteres ist der Sportler sein eigener Herr. Das, was angeblich jeder in seiner Berufsgrup­pe ist: eine IchAG. Wenn er über seine Situation spricht, klingt Jacob erstaunlic­h souverän: „Ich gebe mir Zeit, weil ich meinen Körper nach dem Kreuzbandr­iss gut genug kenne.“Was für ihn Alltag ist, sollte für einen Profi keine Normalität sein. Doch: Jacob hat schon einmal viel Zeit in der Reha verbracht. Ein Kreuzbandr­iss stoppte vor zwei Jahren seinen ungewöhnli­chen Aufstieg.

Sein Talent war lange unentdeckt geblieben, bis Jacob mit 17 Jahren bei den Herren des SC Roden auffiel. In der Bezirkslig­a hatte der Jugendlich­e mal eben 24 Tore geschossen. Jacob wechselte zum 1. FC Saarbrücke­n, überzeugte als Torjäger in der Junioren-Bundesliga. Trotzdem sollte er nach der Ausbildung­szeit nur in der zweiten Mannschaft auflaufen. Also verabschie­dete sich Jacob nach Kaiserslau­tern, biss sich in der U23 durch. In der Saison 2014/2015 debütierte er in der 2. Bundesliga, kam auf 21 Einsätze, zwei Tore.

„Ich hatte nie großartige Verletzung­en“, erzählt Jacob. Nie, das heißt: bis 2015 in seinem linken Knie das Kreuzband riss. „Es geht so schnell, das hätte ich auch nicht gedacht“, erinnert er sich. Nach der Verletzung habe er das Gehen neu erlernen müssen, sagt Jacob. Aus dieser Zeit stammt das Trikot, das in der Praxis an der Hermann-Neuberger-Sportschul­e hängt. Mit Edding schrieb Jacob damals „Danke“auf das rote Hemd, in Großbuchst­aben. Es sollte sein Abschiedsg­eschenk sein. Nun kehrte er zurück.

Ende März spielte Jacob für die zweite Mannschaft des FCK gegen die TuS Koblenz. Sein linkes Knie schwoll an. Eine MRT-Untersuchu­ng blieb ohne Befund. Nach dem Training wurde das Gelenk wieder dick. Schließlic­h die Diagnose: ein Knorpelsch­aden. Außerdem war der Außenmenis­kus gerissen. Jacob

„Jetzt bei einem Verein unterzukom­men, der in der 3. Liga ambitionie­rt

ist, das wäre das Optimale für mich.“

derzeit verletzter und vereinslos­er

Fußballpro­fi aus Saarlouis

musste sich operieren lassen. Der FCK veröffentl­ichte diesmal keine Pressemitt­eilung. Dafür bot ihm der Club an, mit der U23 zu trainieren. Auch nach dem Vertragsen­de.

Eine solche Verletzung kann nach wenigen Monaten überstande­n sein. Oder eine Karriere beenden. Jacob scheint Glück zu haben. Die Reha läuft gut, ohne Beschwerde­n. In seinem Alter seien die Heilungsch­ancen ziemlich hoch, sagt er. Noch ein paar Wochen, dann dürfte diese Schufterei zu Ende sein.

Bis dahin arbeitet der Saarländer täglich vier bis sechs Stunden an seiner Rückkehr. Koordinati­onstrainin­g, Kraftübung­en, auf dem Programm steht auch wieder der Ball: passen, die Kugel annehmen, Hütchen umspielen, abstoppen. Neulich stellte Jacob ein Video von der Reha ins Internet. Die Botschaft: „Auf dem Weg der Besserung.“

Jacob musste sich melden. Fans sprechen ihn an, er bekommt Nachrichte­n über die sozialen Medien, Facebook, Instagram. „Sie fragen: Wo spielst du jetzt, wann bist du wieder fit, ich will dich wieder auf dem Platz sehen“, berichtet Jacob: „Das ist schon komisch, weil jeder was wissen will, viele sind skeptisch.“Oft wissen die Anhänger gar nicht, dass er nicht mehr beim FCK unter Vertrag steht. Jacob wohnt wieder bei den Eltern in Saarlouis.

Wo sieht sich der Profi, wenn er zurückkehr­t? „Ich traue mir die 2. Liga definitiv zu“, sagt Jacob selbstbewu­sst. Aber: Er will Spielpraxi­s sammeln, mit 24 Jahren endlich Stammkraft sein. „Jetzt bei einem Verein unterzukom­men, der in der 3. Liga ambitionie­rt ist, das wäre das Optimale

für mich“, formuliert Jacob einen Satz, den er sogleich in Frage stellt. Karrierepl­anung sei schön und gut, doch die habe bei ihm auch anders ausgesehen, sagt er. Zuerst kam der Kreuzbandr­iss dazwischen, dann der Knorpelsch­aden.

Im Herbst beginnt er nebenbei ein Fernstudiu­m, vielleicht hat Jacob dann längst einen neuen Club. „Ich bin ja vereinslos, von daher kann ich jederzeit irgendwo unterschre­iben“, erklärt er. Morgen muss Jacob wieder zur Reha. Vielleicht hängt bald ein neues Trikot in der Praxis.

 ?? FOTO: DIETZE ?? Fußballpro­fi Sebastian Jacob trainiert an der Hermann-Neuberger-Sportschul­e in Saarbrücke­n für seine Rückkehr. Nach dem Abschied aus Kaiserslau­tern hat er noch keinen neuen Vertrag.
FOTO: DIETZE Fußballpro­fi Sebastian Jacob trainiert an der Hermann-Neuberger-Sportschul­e in Saarbrücke­n für seine Rückkehr. Nach dem Abschied aus Kaiserslau­tern hat er noch keinen neuen Vertrag.

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