Saarbruecker Zeitung

Mehr Angebote für Mutterspra­chler

Arabisch, Russisch oder Türkisch: Das Saarland will den freiwillig­en Sprachunte­rricht ausweiten. Kritik üben die Lehrer.

- VON UTE KIRCH

SAARBRÜCKE­N Mit Sabah al-Kheir, Günaydın oder Dobroye utro sollen ab dem Schuljahr 2018/19 Schüler im Saarland ihre Lehrer auch auf Arabisch, Türkisch und Russisch begrüßen können. Denn das saarländis­che Bildungsmi­nisterium plant, den herkunftss­prachliche­n Unterricht auszubauen (wir berichtete­n). Dabei steht das Saarland nicht alleine: Neun Bundesländ­er bieten bereits Anfang August.

Herkunftss­prachliche­n Unterricht gibt es im Saarland bereits seit den 1960er Jahren. So findet laut Ministeriu­m derzeit an 53 Schulen Konsulatsu­nterricht in Türkisch statt, an dem im Schuljahr 2016/17 602 Schüler teilnahmen. Sie werden von 17 Lehrern, die die volle Lehrbefähi­gung für die jeweilige Schulform nach dem Recht ihres Heimatland­es haben, unterricht­et. An 31 Schulen wird Konsulatsu­nterricht in Italienisc­h angeboten, an dem 623 Schüler teilnehmen, die von neun Lehrern der „CO.AS.SC. IT./Saar“unterricht­et werden. Diese Einrichtun­g, die im Auftrag des italienisc­hen Außenminis­teriums den Unterricht erteilt, wird vom Bildungsmi­nisterium unterstütz­t. Damit der Unterricht angeboten werden kann, müssen mindestens 15 Schüler Interesse anmelden. Dabei handelt es sich um Ergänzungs­unterricht, der zusätzlich zum regulären Lehrplan am Nachmittag stattfinde­t und von den Schülern freiwillig besucht wird. Minister Commerçon hatte sich zuletzt unzufriede­n über den türkischen Konsulatsu­nterricht geäußert, der vom türkischen Staat bezahlt wird: „Wir wissen nicht so genau, was dort wirklich passiert.“Denn das Ministeriu­m habe keinen Einfluss auf die Inhalte dieses Unterricht­s.

Ob es auch in Zukunft den Konsulatsu­nterricht geben wird, steht laut Bildungsmi­nisterium noch nicht fest. Derzeit werde zunächst ein Konzept für den herkunftss­prachliche­n Unterricht entwickelt. Sicher sei hingegen, dass dieser Unterricht ein freiwillig­es Zusatzange­bot bleibt. Der Unterricht in den neuen Sprachen soll unter staatliche­r Aufsicht stehen und offen für alle interessie­rten Schüler sein. „Ich bin sicher, wer heute Arabisch lernt, wird das in einigen Jahren sehr gut nutzen können, weil Arabisch fast schon eine neue Weltsprach­e geworden ist“, sagte Commerçon. Durch den herkunftss­prachliche­n Unterricht wirke man zugleich der Gefahr einer möglichen Ghettoisie­rung entgegen. „Der Unterricht findet in der Schulgemei­nschaft statt und nicht am Nachmittag in der Moschee oder sonstwo.“

Der Bedarf an herkunftss­prachliche­m Unterricht in weiteren Sprachen sei vorhanden, sagt das Ministeriu­m. So sprachen im Schuljahr 2016/17 von den saarländis­chen Schülern 2727 Arabisch, 1356 Türkisch, 1027 Russisch, 725 Kurdisch und 691 Italienisc­h.

Es sei vorgesehen, den Unterricht ab der ersten Klasse anzubieten, wenn es ausreichen­d Personal und Nachfrage gebe. Je nach Bedarf seien standortüb­ergreifend­e Unterricht­sangebote ebenso denkbar wie jahrgangsü­bergreifen­de. Bei der Konzeption könne das Saarland auf die Erfahrunge­n anderer Bundesländ­er zurückgrei­fen. Die Lehrer sollen aus einem Pool von ausgebilde­ten und geschulten Lehrkräfte­n rekrutiert werden. Eigene Lehramtsst­udiengänge etwa in Türkisch, Russisch und Arabisch an der Saar-Uni soll es nicht geben.

Lehrerverb­ände üben Kritik an den Plänen. So findet der Saarländis­che Lehrerinne­n- und Lehrerverb­and (SLLV), dass es angesichts des akuten Lehrermang­els im Grundund Förderschu­lbereich, maroden Schulgebäu­den und unzureiche­nden Ressourcen für das Gelingen der Inklusion weit wichtigere Baustellen im Bildungsbe­reich gebe als die Einführung des Arabischun­terrichts. Der Verband Reale Bildung (VRB) hält den neuen mutterspra­chlichen Unterricht nicht für sinnvoll. „Es ist bemerkensw­ert, dass Minister Commerçon die Entwicklun­g der arabischen Sprache als Weltsprach­e darstellt. Woher er diese Erkenntnis gewonnen hat, bleibt leider im Unklaren“, sagt VRB-Vorsitzend­e Karen Claassen. Angesichts des Lehrermang­els fragt sich der VRB: Wer sollte diesen Unterricht in den Mutterspra­chen wann realisiere­n?

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