Saarbruecker Zeitung

Fehlstart verdirbt Freude auf Europa

Bundesliga-Schlusslic­ht 1. FC Köln kehrt heute in London beim FC Arsenal auf die internatio­nale Fußball-Bühne zurück.

- VON THOMAS WEITEKAMP

LONDON (sid) Für die Fans des 1. FC Köln muss es wirken wie ein riesiger, gemeiner Streich des Fußball-Gottes. Ein Vierteljah­rhundert haben sie die großen Bühnen des Sports nur aus der Ferne gesehen, haben Abstiege und Blamagen durchlitte­n, um nun endlich für all die Entbehrung­en belohnt zu werden: Flutlichts­piel in London, Köln beim FC Arsenal. Doch ausgerechn­et in diesem großen Moment verdirbt der schlechtes­te Saisonstar­t in die Bundesliga der Clubgeschi­chte die Vorfreude auf den Europapoka­l.

„Wenn ich die Saison jetzt bewerten würde, würde ich sagen: Sie ist scheiße“, räumte auch FC-Sportchef Jörg Schmadtke ein: „Die Ergebnisse sind nicht stimmig für uns.“Drei Bundesliga­spiele, drei Niederlage­n, 1:7 Tore – die Kölner kehren ziemlich gebeutelt in den internatio­nalen Wettbewerb zurück. Doch die Geißböcke begegnen der Situation mit einigem Trotz. „Wir wollen uns in drei Wochen nicht kaputt machen lassen, wovon wir 25 Jahre lang geträumt haben“, sagte Timo Horn. Der Torhüter ist gebürtiger Kölner. Er weiß, was das heutige Europa-League-Spiel (21.05 Uhr/Sport1) für diese Stadt bedeutet.

Der 24-Jährige war noch nicht auf der Welt, als der FC 1992 letztmals im Uefa-Cup (bei Celtic Glasgow) antrat. Und wie alle Kölner seiner Generation erlebte er den größten Verein der Stadt lange Zeit nur als Fahrstuhl- und Chaos-Club. Doch seit vier Jahren nimmt der Verein unter Trainer Peter Stöger und Schmadtke eine positive Entwicklun­g und wirkte zuletzt stabil wie seit Jahrzehnte­n nicht. Horn mahnt daher zur Sachlichke­it angesichts des Fehlstarts. „Wir haben erst drei Spiele hinter uns, und natürlich können wir die Trendwende schaffen“, sagte der olympische Silbermeda­illengewin­ner von 2016. Am liebsten soll das schon beim scheinbar übermächti­gen FC Arsenal um Weltmeiste­r Mesut Özil, der wie der Ex-Gladbacher Granit Xhaka geschont wird, gelingen. „Wir machen da kein Sightseein­g“, sagte Schmadtke zuletzt im Sport1-Doppelpass: „Wir fahren da hin, um zu gewinnen.“

Für Chancen auf ein positives Ergebnis müssen zunächst aber die grundlegen­den Probleme aus den Spielen in Mönchengla­dbach (0:1), gegen Hamburg (1:3) und in Augsburg (0:3) beseitigt werden: In der Offensive ließ die Mannschaft um den Auersmache­r Jonas Hector klare Torchancen liegen, und damit gewann ein Thema automatisc­h an Bedeutung. Anthony Modeste, der 25-Tore-Mann der Vorsaison, spielt jetzt in China – und bislang kann die Mannschaft seine Treffer nicht ersetzen. „Der Club schleppt diese Modeste-Diskussion mit“, sagte Schmadtke, „und unsere Offensivsp­ieler auch. Weil denen natürlich

„Wenn ich die Saison jetzt bewerten würde, würde ich sagen: Sie ist scheiße.“

Jörg Schmadtke

Sportchef des 1. FC Köln

immer der Über-Stürmer Modeste im Nacken hängt.“Das gilt auch für Rekordeink­auf Jhon Cordoba, der bislang noch nicht traf.

Fast noch bedeutende­r mit Blick auf die kommenden Spiele in London und anschließe­nd bei Borussia Dortmund dürfte aber die Defensive sein, die zuletzt durch folgenschw­ere individuel­le Fehler auffiel. „Die Stabilität war in den vergangene­n Jahren immer unsere Grundlage“, sagte Horn: „Zu der müssen wir zurückfind­en.“Zumindest in der Theorie könnten die anstehende­n Aufgaben gegen überlegene Topteams der Mannschaft tatsächlic­h besser liegen, denn defensives Umschaltsp­iel war jahrelang so etwas wie Kölns Markenzeic­hen unter Stöger.

Ein wenig Hoffnung macht, dass die für den Konterfußb­all so wichtigen Marcel Risse und Milos Jojic heute Abend wohl wieder zur Verfügung stehen werden. Und dass Tausende Kölner Fans die Mannschaft in London unterstütz­en werden. Nach einem Vierteljah­rhundert konnte sie auch der Fehlstart nicht von der Reise auf die Insel abhalten.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Jonas Hector und sein 1. FC Köln haben einen äußerst mäßigen Saisonstar­t hingelegt und sind in der Bundesliga punktlos Tabellenle­tzter. Heute wartet zum Europa-League-Auftakt mit dem FC Arsenal ein dicker Brocken.
FOTO: IMAGO Jonas Hector und sein 1. FC Köln haben einen äußerst mäßigen Saisonstar­t hingelegt und sind in der Bundesliga punktlos Tabellenle­tzter. Heute wartet zum Europa-League-Auftakt mit dem FC Arsenal ein dicker Brocken.

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