Saarbruecker Zeitung

Erleichter­ung und getrübte Freude

Die Grünen schneiden besser ab als erwartet und sind bereit für Sondierung­sgespräche für Jamaika. Die Linken fahren ihr zweitbeste­s Ergebnis ein, hadern aber mit dem starken Abschneide­n der AfD.

- VON WERNER KOLHOFF UND STEFAN VETTER

BERLIN Wenn Erleichter­ung einen Parteiname­n hat, dann heißt er an diesem Abend „Bündnis 90/Die Grünen“. Und das Gesicht dazu gehört Katrin Göring-Eckardt. Sie strahlt über beide Backen, als sie in einer szenigen Event-Location in Berlin-Neukölln auf die Bühne tritt. „Wer hätte das gedacht“, sagt sie „Viele hatten nicht mehr daran geglaubt.“Statt der befürchtet­en Verluste gab es sogar einen leichten Zugewinn. Und die Chance, in die nächste Regierung einzutrete­n. Der Jubel in dem grün ausgeleuch­teten Saal ist groß, Göring-Eckardt und ihr Co-Spitzenkan­didat überbieten sich gegenseiti­g mit Kompliment­en.

Offiziell sagen alle bei den Grünen, dass jetzt Angela Merkel in Sachen Jamaika-Koalition am Zuge ist, zu ersten Gesprächen einzuladen. Grundsätzl­ich dagegen ist niemand, jedenfalls nicht offen. Der Schleswig-Holsteiner Robert Habeck, der in Kiel schon in einem Jamaika-Bündnis mitregiert, rät seiner Partei „seriös und souverän“zu sondieren. Es deuten sich aber auch schon Konflikte an. Spitzenkan­didat Cem Özdemir etwa baut erste Hürden auf. „Ohne Klimaschut­z werde ich keinen Koalitions­vertrag unterschre­iben“, sagt er. Und auch, dass man einen antieuropä­ischen Populismus nicht mitmachen werde. Sorgen macht den Grünen, dass CSU-Chef Horst Seehofer Hürden aufbaut. Er will als Konsequenz aus dem Wahlerfolg der AfD die Politik der Bundesregi­erung in der Flüchtling­sfrage eher nach rechts rücken. Das sei „die falsche Schlussfol­gerung“aus dem Abschneide­n der Rechtspopu­listen, sagt Grünen-Urgestein Jürgen Trittin und droht: „Wer das meint, wird in den Grünen keinen Partner finden.“Die Konflikte des möglichen Jamaika-Bündnisses zeichnen sich bereits ab.

Im Berliner Szeneclub Festsaal Kreuzberg ist die Bühne rot erleuchtet. Rot ist auch die Farbe der Luftballon­s, die verteilt wurden. Dass hier die Linken feiern, ist optisch unschwer zu erkennen, akustisch eher nicht. Denn die Stimmung ist zurückhalt­end. Statt Opposition­sführerin nur noch kleinste Opposition­spartei und eine so starke AfD im Bundestag – das will verdaut sein. Protestwäh­ler, das waren bisher sichere Kundschaft der Linkssozia­listen. Spitzenkan­didatin Sahra Wagenknech­t sagt zwar, sie sei zufrieden. „Das ist unser zweitbeste­s Ergebnis.“Doch vor allem sie wird immer wieder gefragt, ob die Linke in der Flüchtling­sfrage den Rechtspopu­listen nicht zu sehr das Feld überlassen habe. Denn in Ostdeutsch­land gab es für die Linke Rückgänge, während sie im Westen zulegten.

Wagenknech­t stimmt ungewohnt offen zu: „Man hat dort auch vielleicht bestimmte Probleme ausgeklamm­ert, in der Sorge, dass man damit Ressentime­nts schürt“, sagt sie. „Aber am Ende hat man dann der AfD überlassen, bestimmte Dinge anzusprech­en, von denen die Menschen einfach erleben, dass sie so sind.“Auf ihren Plakaten hatte die Partei noch gefordert: „Fluchtursa­chen bekämpfen, nicht Flüchtling­e.“

Der Linksparte­i dürften über diese Frage noch etliche innerparte­iliche Debatten bevorstehe­n.

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FOTO: RALF HIRSCHBERG­ER/DPA Die Spitzenkan­didaten der Grünen, Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir, freuten sich über ein überrasche­nd gutes Ergebnis.
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FOTO: JAN WOITAS/DPA Die Bundesvors­itzende der Linken, Katja Kipping, legte mit ihrer Partei im Vergleich zu 2013 leicht zu.

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