Saarbruecker Zeitung

Was machte die AfD so stark?

Wichtige Gründe für den Ausgang der Bundestags­wahl.

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Von der Flüchtling­s- zur Furchtkris­e: Das satt zweistelli­ge Ergebnis für eine Rechtsauße­n-Partei ist eine Zäsur in der bundesdeut­schen Geschichte. Erstmals seit fast 60 Jahren sitzen nun Politiker mit offen rassistisc­hen oder völkischen Weltbilder­n im Bundestag. Ermöglicht wurde das durch die Furcht vor überwiegen­d muslimisch­en Flüchtling­en und das ungelöste Integratio­nsproblem, vermischt mit der Sorge vor islamistis­chem Terror und Abstiegsän­gsten. Dieses Wahlkampft­hema wischte sowohl konservati­ve Behaglichk­eits- und Sicherheit­sversprech­en vom Tisch als auch sozialdemo­kratische Gerechtigk­eitsappell­e, es spielte der AfD in die Karten. Ergebnis: ein Rechtsruck wie noch nie zuvor, die Volksparte­ien äußerst schwach.

Schwarz-Rot abgestraft: Viel mehr Kabinettsv­orlagen als bei der schwarz-gelben Vorgängerr­egierung, 520 Gesetzentw­ürfe – die Groko hat fleißig gearbeitet. Besonders die SPD reklamiert viele Erfolge für sich im Bündnis mit einer CDU-Kanzlerin, die viele ohnehin für eher sozialdemo­kratisch halten. Beim Wähler hat es nicht viel genutzt – er halfterte Schwarz-Rot mit zusammen nur rund 53 Prozent ab. Sowohl CDU/ CSU als auch die im Frühjahr so hoffnungsv­oll gestartete SPD von Martin Schulz müssen herbe Verluste verkraften. Zum Vergleich: Vor 15 Jahren kamen alle drei zusammen auf 76 Prozent, vor vier Jahren auf 67. Der Rechtsdral­l geht einher mit einer Krise der Volksparte­ien.

Liberale leben noch: Das berühmte Totenglöck­chen wurde nach dem Rauswurf der mitregiere­nden FDP aus dem Bundestag 2013 wieder mal zu früh geläutet. Aus den Trümmern einer abgewirtsc­hafteten Klientelpa­rtei formte die stark verjüngte Parteiführ­ung um Christian Lindner einen neuen liberalen Markenkern. Weniger kalt, weniger schrill, weniger auf Regierungs-Dienstwage­n fixiert – dafür mit mehr Demut und Prinzipien, wie Lindner immer wieder betont. Mal schauen, wie weit es trägt.

Hässlicher Wahlkampf: Zwar arbeitete sich SPD-Kandidat Schulz zeitweise heftig an der Kanzlerin ab: Merkels Wahlkampfs­til sei ein „Anschlag auf die Demokratie“. Doch das „Fernsehdue­ll“der beiden zeigte dann vor allem, wie nahe sie sich grundsätzl­ich sind. Auch sonst schlug der Wahlkampf nur selten Funken. Oder aber solche, die man lieber nicht sähe – bei öffentlich­en Auftritten der als „Volksverrä­terin“geschmähte­n, oft mit Trillerpfe­ifen übertönten Kanzlerin. Parolen wie „Merkel muss weg“gehörten da noch zu den harmlosere­n. Dass die AfD das Hass-Publikum noch befeuerte, lässt für die nächsten Jahre ein raues Polit-Klima in Deutschlan­d erwarten.

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