Saarbruecker Zeitung

Zwei Sieger aus zwei verschiede­nen Welten

Die AfD will „Jagd“auf Merkel machen. Die FDP ist offen für Gespräche mit Grünen und Union über eine Jamaika-Koalition.

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BERLIN (SZ/dpa) AfD-Spitzenkan­didat Alexander Gauland kann es gar nicht abwarten. Kurz vor 18 Uhr steht er auf der Bühne in der Diskothek „Traffic Club“am Berliner Alexanderp­latz und wartet auf die Bekanntgab­e der ersten Prognosen der Bundestags­wahl. Die Räume sind in blaues Licht getaucht, an der Wand hängen Poster mit Marilyn Monroe. Es ist brechend voll. Allein 1000 Journalist­en haben sich angemeldet, nur 250 wurden wegen der engen Platzverhä­ltnisse zugelassen.

Alexander Gauland Als erster führender Politiker an diesem Abend gibt Gauland seine Stellungna­hme ab, und sie klingt wie eine Kriegserkl­ärung an die nächste Bundesregi­erung: „Wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen. Wir werden uns unser Land und unser Volk zurückhole­n.“Riesen-Jubel unter den Anhängern.

Die AfD strotzt vor Selbstbewu­sstsein, Stolz und Angriffslu­st. Frauke Petry twittert: „Das Unmögliche ist wahr geworden.“Und Parteichef Jörg Meuthen schlägt im Fernsehen einen Untersuchu­ngsausschu­ss gegen Angela Merkel vor, weil sie 2015 nicht die Grenzen für Flüchtling­e schloss. Die AfD ist im Osten Deutschlan­ds bei der Bundestags­wahl am Sonntag zweitstärk­ste Partei geworden.

Der Erfolg der AfD wühlt aber auch die Gegner auf. Im Lauf des Abends treffen vor dem Veranstalt­ungslokal der Rechtspopu­listen immer mehr Demonstran­ten ein; die Polizei hält sie mit einem massiven Aufgebot auf Abstand, es gibt erste Rangeleien. Die feiernden AfD-Anhänger filmen das Geschehen von der Terrasse herab.

Auch im Hans-Dietrich-Genscher-Haus der Liberalen ist es so voll wie noch nie. Viele haben Rollo-Flugblätte­r dabei, die das Konterfei von Christian Lindner enthüllen, dem neuen Popstar der Partei. Hier hatten viele vor vier Jahren den Tiefpunkt der Liberalen erlebt, das Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde. Die FDP kommt nach ihrer Niederlage 2013 eindrucksv­oll zurück ins Parlament. Und hier feiern sie nun den Wiedereinz­ug in den Bundestag. Fast noch euphorisch­er als die AfD, die anderen Wahlsieger des Tages. Lindner kann kaum etwas sagen, er wird nach jedem Halbsatz von einem Jubelsturm unterbroch­en. „Das kann ein langer Abend werden“, bemerkt er launig. „Die vergangene Wahlperiod­e war die erste in der Geschichte unserer Republik, in der es keine liberale Stimme im Parlament gab – es soll zugleich die Letzte gewesen sein“, kann man dann verstehen. Und: „Ab jetzt gibt es wieder eine Fraktion der Freiheit im Deutschen Bundestag.“Mit wem diese Fraktion aber regieren wird, bleibt offen. Die FDP verweigere sich Gesprächen über eine Jamaika-Koalition mit Union und Grünen nicht, sagt Parteivize Wolfgang Kubicki. „Aber man kann uns in sie auch nicht hineinzwin­gen.“Lindner drückt es ähnlich aus: „Nur weil sich die SPD in die Opposition flüchtet, lassen wir uns nicht in die Regierung drängen.“Eine Jamaika-Koaltion aus Union, FDP und Grünen hat

„Wir werden Frau Merkel oder wen auch

immer jagen.

Wir werden uns unser Land und unser Volk

zurückhole­n.“

Spitzenkan­didat der AfD

„Ab jetzt gibt es wieder

eine Fraktion der Freiheit im Deutschen

Bundestag.“

Christian Lindner

Bundesvors­itzender und Spitzenkan­didat der FDP

es auf Bundeseben­e noch nie gegeben. Und der Testlauf in Schleswig-Holstein seit diesem Sommer ist kurz, und schwer mit dem Bund zu vergleiche­n.

Die FDP begeht den Wahlabend in Berlin am gestrigen Abend gleich doppelt: In einem Restaurant ein paar Häuser weiter ist der Berliner Landesverb­and zusammenge­kommen. Aber aus einem ganz anderen Grund. Die FDP-Berlin hat sich für die Offenhaltu­ng des Berliner Flughafens Tegel stark gemacht und einen Volksentsc­heid durchgeset­zt, der parallel zur Bundestags­wahl gestern in der Stadt ausgeführt wurde. Jetzt wartet sie auf das Ergebnis. Auch hier hat sich der Landesverb­and auf Partystimm­ung eingestell­t.

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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Die Spitzenkan­didaten der AfD, Alexander Gauland (links) und Alice Weidel, lassen sich gemeinsam mit dem Bundesvors­itzenden Jörg Meuthen auf der Wahlparty ihrer Partei in Berlin feiern.
 ?? FOTO: FEDERICO GAMBARINI/DPA ?? Ruhig im Erfolg: Christian Lindner, Bundesvors­itzender und Spitzenkan­didat der FDP, wird in Berlin nach Veröffentl­ichung der Hochrechnu­ngen von einem jubelnden Publikum empfangen.
FOTO: FEDERICO GAMBARINI/DPA Ruhig im Erfolg: Christian Lindner, Bundesvors­itzender und Spitzenkan­didat der FDP, wird in Berlin nach Veröffentl­ichung der Hochrechnu­ngen von einem jubelnden Publikum empfangen.

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