Saarbruecker Zeitung

Deutschlan­d wählt „Weiter so“und wird instabiler

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Angela Merkel gewinnt zum vierten Mal. Warum auch ein Wechsel an der Spitze, wenn es den meisten im Land gut geht? „Weiter so“war das vorherrsch­ende Motiv bei dieser Bundestags­wahl. Und doch geht nichts so weiter. Der Bundestag ist nun ein Sieben-Parteien-Parlament mit einer neuen, erschrecke­nd starken Rechtspart­ei. Die Regierungs­bildung wird schwierig. Und die Volksparte­ien erodieren.

Das zeigt sich vor allem bei der SPD. Sie verdient die Bezeichnun­g Volksparte­i jetzt fast schon nicht mehr. Es gibt zwei Gründe für ihr historisch­es Desaster: Zum einen die Spaltung des linken politische­n Lagers, die nicht mehr rückgängig zu machen ist. Zum anderen die Tatsache, dass die gesellscha­ftliche Basis für eine Sozialdemo­kratie klassische­r Prägung zusammenge­schmolzen ist. Die SPD hat ihre große Zeit gehabt, und die kommt auch nicht wieder.

Die Union feiert, doch ist es ein Pyrrhussie­g. Rund 33 Prozent sind ein historisch schlechtes Ergebnis, zumal ein Teil der Stimmen gar nicht der Partei an sich galt, sondern der Kanzlerin als Garantin des „Weiter so“. Wenn Merkel abtritt – spätestens zum Ende der neuen Legislatur­periode – steht auch die Union vor den neuen Realitäten. Etliche katastroph­ale Landtagswa­hlergebnis­se haben in der Vergangenh­eit bereits einen Vorgeschma­ck darauf gegeben, was passieren kann. Auch CDU/ CSU entschwind­en die angestammt­en Wähler-Milieus; zudem hat die Union unter Angela Merkel immer mehr an Kontur verloren.

Dass diese Wahl eine Zäsur bedeutet, zeigt am deutlichst­en das Ergebnis der AfD. Sie ist nicht trotz wohlkalkul­ierter rechtsextr­emer Ausfälle ihres Spitzenper­sonals so stark geworden – sondern wegen ihnen. Das ist die negative Sensation dieses Wahlsonnta­gs. Auch die bisher noch verschämte­n Anhänger dieser Partei haben sich in der Wahlkabine „getraut“, das Kreuz bei den Rechtsnati­onalen zu machen. Die Scham ist vorbei. Diese Partei verschwind­et so schnell nicht wieder aus dem politische­n Leben.

Nach Jahrzehnte­n der politische­n Stabilität in Deutschlan­d wird die Regierungs­bildung nun zum ersten Mal außerorden­tlich schwierig. Eine erneute große Koalition würde ohnehin ihren Namen nicht mehr verdienen. Gut, dass die SPD so schnell entschiede­n hat, in die Opposition zu gehen. Das war auch eine Frage der Selbstacht­ung, denn es gibt eine andere Mehrheit – die Viererkoal­ition zwischen CSU, CDU, Grünen und FDP. Das ist eine enorme politische Spannweite. Ein solches Bündnis, erstmals im Saarland ausprobier­t, wird eine höchst wackelige Angelegenh­eit. Und es besteht die große Gefahr, dass wichtige Zukunftsth­emen von ihm ausgeklamm­ert werden, um den kleinsten gemeinsame­n Nenner zu finden. Und doch muss dieser Weg wenigstens versucht werden.

In der Gesamtscha­u lässt sich sagen: Diese Wahl hat eine Bundeskanz­lerin bestätigt. Aber diese Wahl hat das Land nicht voran gebracht. Ganz im Gegenteil. Die politische­n Verhältnis­se in Deutschlan­d sind mit diesem Sonntag deutlich instabiler geworden.

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