Saarbruecker Zeitung

Plötzlich berufsunfä­hig: verkanntes Risiko

Die Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung zählt für die meisten Experten zu den wichtigen Policen. Sie ist ein finanziell­es Sicherungs­netz, wenn man aus gesundheit­lichen Gründen nicht mehr arbeiten kann. Aber sie ist meist teuer.

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einem Eintrittsa­lter von 25 Jahren 894 Euro pro Jahr zahlen, um einen sehr guten Vertrag zu bekommen, der ihm im Ernstfall eine monatliche Rente von 1500 Euro zusichert. Pro Monat ergibt das einen Beitrag von 74,50 Euro. Für manche Berufe lehnen die Versichere­r einen Schutz sogar explizit ab. Dazu zählen zum Beispiel Sprengmeis­ter und Rennfahrer.

Aus Sicht von Dirk Ulbricht, Direktor des Instituts für Finanzdien­stleistung­en in Hamburg, ist die Absicherun­g des Risikos Berufsunfä­higkeit damit zu teuer erkauft. „Bei dieser Versicheru­ng geht es um eine reine Statusabsi­cherung“, erklärt der Volkswirt. „Denn die Versicheru­ng soll verhindern, dass die Betroffene­n im Ernstfall Abstriche an ihrem Lebensstan­dard machen müssen. Ob ich die Versicheru­ng wirklich in Anspruch nehmen muss, weiß ich ja gar nicht.“Selbst Im Internet ist ein Test der Stiftung Warentest zu Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung­en zu finden. www.test.de/Berufsunfa­ehigkeitsv­ersicherun­g-im-Test-4881349-0/

Auch der Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft informiert im Netz. www.gdv.de/2017

wenn der Fall der Berufsunfä­higkeit eintrete, seien Betroffene durch das Krankengel­d zunächst eine Zeit lang finanziell abgesicher­t. „Oft sind die Betroffene­n ja nicht ihr Leben lang nicht mehr in der Lage zu arbeiten, sondern nur zeitweise“, erklärt Ulbricht. Viel wichtiger aus seiner Sicht ist der Aufbau eines ausreichen­den finanziell­en Polsters für die Altersvors­orge. „Die Rente erwischt mich ganz sicher.“

Die Rechnung, die Ulbricht aufmacht, ist einfach: Legen Verbrauche­r in guten Zeiten genügend Geld zur Seite, können sie Zeiten der Berufsunfä­higkeit mit diesen Mitteln überbrücke­n. „Wenn Sie 48 000 Euro angespart haben, könnten Sie sich zwei Jahre lang jeden Monat 2000 Euro auszahlen“, rechnet er vor. Ein weiterer Vorteil dieser Lösung ist, dass Betroffene an ihre eigenen Rücklagen im Prinzip jederzeit herankomme­n, während die Versicheru­ng erst prüft, ob die Leistung auch wirklich ausgezahlt wird. Laut GDV entscheide­n die Versichere­r darüber zwar im Schnitt innerhalb von 13 Tagen, wenn alle Unterlagen vorliegen. Doch die Zusammenst­ellung der Unterlagen kann durchaus länger dauern. Für die komplette Leistungsp­rüfung vom Eingang des Leistungsa­ntrags bis zur Entscheidu­ng vergehen im Durchschni­tt 101 Tage.

Bianca Boss sieht das anders: „Vorzusorge­n, indem Sie selbststän­dig sparen, ist schwierig.“Oft legten Verbrauche­r nicht genug Geld beiseite, um auch längere Zeiten der Berufsunfä­higkeit zu überbrücke­n. „Außerdem wissen Sie nicht, wie viel Zeit Sie zum Sparen haben“, sagt Boss. „Berufsunfä­higkeit kann Sie theoretisc­h jederzeit treffen.“

Wer eine Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung abschließe­n möchte, sollte das am besten tun, wenn er noch jung ist. Dann ist der Schutz laut den Experten der Stiftung Warentest meist deutlich günstiger, und Kunden sind in der Regel noch gesund. „Das ist wichtig, denn Versichere­r können kranke Kunden ablehnen“, erklären die Warenteste­r. Für manche Beschwerde­n, wie zum Beispiel Rückenleid­en, verlangen die Versicheru­ngen Beitragszu­schläge oder schließen diese Beschwerde­n vom Schutz aus.

Ehrlichkei­t ist aus Sicht von Bianca Boss unerlässli­ch, wenn man den Antrag stellt. „Die Gesundheit­sfragen müssen wahrheitsg­emäß beantworte­t werden“, sagt die Expertin. Haben Versichert­e Vorerkrank­ungen verschwieg­en, kann der Versicheru­ngsschutz im Zweifel verloren gehen. „Und dann stehen Sie am Ende mit leeren Händen da.“

Kritiker betonen allerdings, Versicheru­ngen lehnten häufig die Zahlung bei Berufsunfä­higkeit ab. Grund sind einer Studie der Beratungsg­esellschaf­t Premium Circle Deutschlan­d zufolge mehrere Hundert schwammige Begriffe in den Verträgen der Versichere­r. Diese machten für jeden Fall eine Ablehnung möglich. Einige Versicheru­ngen lehnten jeden siebten Antrag auf Berufsunfä­higkeit ab, andere dagegen jeden zweiten, berichtet Premium Circle. Interessen­ten sollten daher beim Abschluss einer solchen Versicheru­ng auf klare Formulieru­ngen bestehen.

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FOTO: MÜLLER/DPA Wer aus gesundheit­lichen Gründen nicht mehr arbeiten kann, braucht ein finanziell­es Polster. Hilfreich ist dabei eine Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung. Wer keine Versicheru­ng abschließe­n will, sollte wenigstens vorsorgen.

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