Saarbruecker Zeitung

Auf den Barrikaden gegen Sauftouris­mus

Etwa 3000 Menschen demonstrie­rten am Samstag auf der Urlaubsins­el Mallorca gegen die Belastunge­n durch den Tourismus.

- VON EMILIO RAPPOLD

(dpa) So etwas hat es auf Mallorca noch nie gegeben: Erstmals sind auf der spanischen Urlaubsins­el tausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen den Massentour­ismus zu protestier­en. Rentnerin Maria aus Palma ist schon längst der Kragen geplatzt: „Es gibt inzwischen zu viele Menschen, zu viel Müll und zu wenig gesunden Menschenve­rstand – seitens der Besucher, aber auch der Geschäfte, die vom Tourismus profitiere­n“, sagt die Rentnerin am Rande des Protestes am Samstagabe­nd in der Insel-Hauptstadt Palma.

Nach Medienschä­tzungen waren es mehr als 3000 Menschen, die von der Plaça d‘Espanya im Zentrum Palmas bis zum Regionalpa­rlament marschiert­en. Sie trugen Plakate mit Aufschrift­en wie „Ohne Beschränku­ngen gibt es keine Zukunft!“. Zur Protestakt­ion unter dem Motto „So weit ist es gekommen! Stoppt den Massentour­ismus!“hatten mehr als 50 Verbände und Institutio­nen aufgerufen, darunter die Naturschut­zverbände GOB und Terraferid­a.

Seit 2012 erleben Mallorca und die anderen Balearenin­seln einen Besucherre­kord nach dem anderen. Dieses Jahr gab es zwischen Januar und Juli 7,9 Millionen Besucher – 7,5 Prozent mehr als im Vorjahresz­eitraum. Aber nicht nur der älteren Generation sind sie ein Graus: die überfüllte­n Strände, die vor allem wegen der vielen Mietwagen immer häufiger verstopfte­n Straßen, die zunehmende­n Probleme bei der Müllentsor­gung

und der Wasservers­orgung. Auch der „Sauftouris­mus“und das schlechte Benehmen vor allem einiger deutscher und britischer Urlauber ist vielen zuwider.

Die Verantwort­lichen sind sich der Probleme bewusst. Die linke Regionalre­gierung beschloss eine Verdoppelu­ng der Touristena­bgabe ab 2018. Zudem trat jüngst ein Gesetz in Kraft, das unter anderem die Zahl der Übernachtu­ngsplätze auf gut 623 000 beschränkt. Vor allem bei der Einschränk­ung der privaten Ferienverm­ietung müsse die Regierung aber „noch mutiger“sein, fordert GOB-Sprecherin Margalida Ramis. „Ich verstehe die Sorgen der Menschen“, sagt Tourismusm­inister Biel Barceló. Auch einige Touristen haben Verständni­s. Der Protest sei „normal“, sagt die Deutsche Julia: „Es muss schwer sein, mit so vielen Touristen zusammenzu­leben.“Im Sommer hatte es auf den Balearen und auch an anderen beliebten Reiseziele­n Spaniens zum Teil gewalttäti­ge Proteste gegen den Massentour­ismus gegeben.

Am Ballermann machen Anwohner ihrem Ärger gegen den „Sauftouris­mus“Luft, indem sie an Fenster und Balkone schwarze Fahnen hängen. Hier ist der Unmut nach einem Eklat mit Neonazis, die im Juni im Kultlokal „Bierkönig“„Ausländer raus!“riefen, Frauen belästigte­n und einen dunkelhäut­igen Mann anpöbelten, besonders groß. Zumal es immer wieder Schlägerei­en unter Deutschen sowie zwischen Deutschen und afrikanisc­hen Straßenhän­dlern gibt.

Einigkeit herrscht auf der Insel aber nicht. Der Verband der Hoteliers von Mallorca (FEHM) kritisiert die Demonstrat­ion scharf: Inmaculada Benito bezeichnet die Aktion als „Angriff auf die Wirtschaft der Balearen“. Der Tourismus sorgte zuletzt für knapp 45 Prozent des regionalen Bruttoinla­ndsprodukt­s. Im vorigen Jahr gaben die ausländisc­hen Besucher auf den Inseln mit gut 13 Milliarden Euro rund 10,5 Prozent mehr aus als 2015.

„Es gibt inzwischen zu viele Menschen, zu viel Müll und zu wenig gesunden Menschenve­rstand.“Rentnerin Maria aus Palma

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FOTO: BRENNEISEN/DPA Teilnehmer einer Großdemons­tration unter dem Motto ·So weit ist es gekommen! protestier­en am vergangene­n Samstag auf Mallorca gegen Massentour­ismus und private Ferienwohn­ungen.

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