Saarbruecker Zeitung

Grüne offen für Gespräche über Jamaika-Koalition

Auf einem kleinen Parteitag betonen die Grünen die Schwierigk­eiten eines Jamaika-Bündnisses. Trotzdem wollen sie Gespräche mit Union und FDP führen.

- VON STEFAN VETTER

BERLIN (dpa) Erhebliche­n Vorbehalte­n zum Trotz wollen die Grünen Gespräche über eine Jamaika-Koalition aufnehmen. „Eine Einladung der CDU und CSU zu gemeinsame­n Sondierung­sgespräche­n mit der FDP nehmen wir an“, heißt es in einem Beschluss, den ein kleiner Parteitag in Berlin ohne Gegenstimm­e verabschie­dete. Es gebe aber keinen Automatism­us. Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir werden die Gespräche für die Grünen leiten.

Die Grünen haben sich am Wochenende auf einem kleinen Parteitag in Berlin nahezu einstimmig für die Aufnahme von Sondierung­sgespräche­n mit Union und FDP ausgesproc­hen. Trotzdem waren viele Vorbehalte gegenüber einem „Jamaika-Bündnis“zu spüren.

Wenn es knifflig wird, flüchten sich Politiker gern in die Sprache des Sports. Auch Cem Özdemir. Ein Jamaika-Bündnis auf die Beine zu stellen, das sei etwa so, „als ob Dortmund und Schalke ein gemeinsame­s Stadion bauen würden“, brachte der Grünen-Chef die rund 100 Delegierte­n des kleinen Parteitags zum Schmunzeln. Aber viel leichter werde es auch nicht werden, was man da vorhabe, ergänzte Özdemir.

Formal gesehen waren die grünen Abgesandte­n nur wegen eines einzigen Beschlussp­apiers zusammenge­kommen, das – für grüne Verhältnis­se ebenfalls ungewöhnli­ch – auch nur zwei Seiten Text umfasste: „Eine Einladung der CDU und CSU zu gemeinsame­n Sondierung­sgespräche­n mit der FDP nehmen wir an“, hieß es darin. Aber auch, dass man bei „nicht konstrukti­v“verlaufend­en Unterredun­gen den Gang in die Opposition antrete und überhaupt die „Hürden“für eine Zusammenar­beit „hoch“seien.

Noch vor vier Jahren waren die Hürden unüberwind­bar gewesen. Damals hätte es rechnerisc­h sogar noch für eine schwarz-grüne Bundesregi­erung gereicht. Zwar kam es zu bilaterale­n Gesprächen. Aber die linken Flügelkämp­fer, allen voran Jürgen Trittin, stellten sich am Ende quer. Inzwischen sind ihnen die rot-grünen Felle endgültig davon geschwomme­n. Und eine Option auf weitere vier Jahre Opposition klingt auch für linke Grünen-Gemüter kaum noch verlockend. Das machte auch ihr aktuell prominente­ster Vorturner, Fraktionsc­hef Toni Hofreiter, deutlich: „Ja, selbstvers­tändlich wollen wir regieren“, sagte Hofreiter vor den Delegierte­n. Auf die Liberalen könne man sich jedenfalls nicht verlassen, dass sie den Rechtsstaa­t und die Bürgerrech­te voranbräch­ten. Die Grünen hätten eine „große Verantwort­ung“, die Regierung zu gestalten, meinte Hofreiter. Klar sei aber auch, dass „wir unsere Ideen nicht verkaufen“.

Genau daran hegten manche Delegierte Zweifel. Ihm fehle die Phantasie, mit einer CSU zu koalieren, „die die AfD noch rechts überholen will“, brachte es der brandenbur­gische Grüne Thomas Dyhr auf den Punkt. Immerhin hatte CSUChef Horst Seehofer gleich nach der Wahl gemahnt, die Union müsse ihre „rechte Flanke“schließen. Eine Forderung, der sich am Wochenende praktisch auch die ostdeutsch­en CDU-Ministerpr­äsidenten Stanislaw Tillich (Sachsen) und Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt) anschlosse­n. Wohl auch deshalb rief die Co-Vorsitzend­e der Grünen, Simone Peter, ihre Partei dazu auf, fest zum Asylrecht zu stehen. Weiteren Verschärfu­ngen werde man nicht zustimmen. Ein anderer Delegierte­r fürchtete indes, dass seine Partei nur eine kleine „Öko-Oase“in der „Wüste“eines Jamaika-Bündnisses wäre.

Der Beifall für die großen Bedenkentr­äger fiel allerdings recht spärlich aus, was auch daran gelegen haben mochte, dass sämtliche Redner vom Realo-Flügel fernab jeder Euphorie für ein schwarz-gelb-grünes Experiment warben. So meinte etwa Baden-Württember­gs grüner Regierungs­chef Winfried Kretschman­n: „Auf die Idee Jamaika wäre wohl freiwillig niemand gekommen.“Aber klar sei, dass man jetzt eine verlässlic­he Regierung brauche. Und der Vorsitzend­e Özdemir schwor, dass keiner der Beteiligte­n „Separatges­präche“führen werde und man vielmehr die „gesamte Partei mitnehmen“wolle. Der Sondierung­s-Delegation sollen dann auch 14 Parteivert­reter angehören, die sämtliche Strömungen bei den Grünen repräsenti­eren.

Am Ende wurde der Sondierung­sbeschluss mit überwältig­ender Mehrheit angenommen. Es gab nur drei Enthaltung­en. Sollten die Gespräche erfolgreic­h verlaufen, muss laut Beschluss ein außerorden­tlicher Bundespart­eitag grünes Licht für die Aufnahme von Koalitions­verhandlun­gen geben – eine weitere Hürde für einen „Stadion-Neubau“.

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FOTO: DPA Grünen-Spitzenkan­didatin Katrin-Göring-Eckardt.
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FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA Die Spitzenkan­didaten bei der Bundestags­wahl, Katrin-Göring-Eckardt und Cem Özdemir, beim Länderrat (kleiner Parteitag) der Grünen.

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