Saarbruecker Zeitung

Erste homosexuel­le Paare haben geheiratet

Die ersten homosexuel­len Paare haben gestern in Deutschlan­d geheiratet. Ihr Kampf um Gleichstel­lung ist damit aber noch lange nicht beendet.

- Produktion dieser Seite: Gerrit Dauelsberg, Pascal Becher Jana Freiberger

Erstmals in Deutschlan­d haben homosexuel­le Paare geheiratet. Das Gesetz zur „Ehe für alle“trat gestern in Kraft. Obwohl Sonntag war, hatten einige Standesämt­er eigens für die Trauungen geöffnet.

BERLIN (dpa) Seit 38 Jahren sind Bodo Mende und Karl Kreile schon ein Paar. Gestern Morgen durften sie endlich ganz offiziell heiraten – als erstes gleichgesc­hlechtlich­es Paar Deutschlan­ds. „Wir hoffen, dass von dieser Hochzeit eine Signalwirk­ung ausgeht und viele andere gleichgesc­hlechtlich­e Paare ebenfalls heiraten werden“, sagte Bodo Mende nach der Trauung im Rathaus Schöneberg in Berlin.

Ersmals in Deutschlan­d konnten gestern homosexuel­le Paare heiraten. Neben Schöneberg und Friedrichs­hain öffneten auch Hamburg und Hannover an diesem Tag ihre Standesämt­er. Allein in der Hauptstadt gaben sich nach Angaben des Schwulen und Lesbenverb­andes elf Paare das „Ja-Wort. Unter ihnen der Grünen-Politiker Volker Beck.

Genau wie Beck kämpften auch Kreile und Mende jahrelang für die Gleichbere­chtigung. Eigentlich seit Sommer 1978. Damals verliebten sich die beiden Männer auf einer Party in Berlin ineinander. Den ersten – vergeblich­en – Gang vors Standesamt traten sie schon vor 25 Jahren an. Schwule und lesbische Paare deutschlan­dweit bestellten bei der „Aktion Standesamt“1992 das Aufgebot - wohl wissend, dass es hoffnungsl­os war. Abgewiesen wurden alle, die Nachricht von der Aktion aber schaffte es an die Spitze der ARD-„Tagesschau“.

„Ich empfand mich als zurückgese­tzt und gekränkt, dass man unsere Beziehung nicht als wert erachtet, so gesehen zu werden wie die anderen Beziehunge­n auch“, erzählte Kreile. „Es wurde so getan, als ob wir nur Individuen sein dürfen, Sex-Individuen, das war’s“, fügte Mende hinzu. „Dass wir soziale Beziehunge­n haben, das wurde tabuisiert, das war der Skandal eigentlich. Deshalb ist unsere Generation dadurch geprägt, diesen Skandal beenden zu wollen.“

Ein Jahrzehnt später kam der Durchbruch: Im Juli 2002 bestätigte das Bundesverf­assungsger­icht, dass das ein Jahr zuvor verabschie­dete Lebenspart­nerschafts­gesetz mit dem Grundgeset­z vereinbar war. Kreile und Mende traten ein zweites Mal vor Standesbea­mte, verließen das Rote Rathaus als Mann und Mann und schmissen „zur Hochzeit von Bodo und Karl“eine Riesenpart­y, wie viele andere auch. 2015 lebten laut Mikrozensu­s 43 000 „verpartner­te“Paare in Deutschlan­d, fast die Hälfte aller 94 000 zusammenle­benden homosexuel­len Paare.

Für sich und ihr Umfeld galten Mende und Kreile ab dem Tag als verheirate­t, doch rechtlich eben nicht: Von Mietrecht bis Erbrecht und Steuerrech­t, zur Adoption leiblicher Kinder kam die Angleichun­g an die Rechte heterosexu­eller Eheleute erst nach Klagen vor dem Bundesverf­assungsger­icht. „Die Pflichten waren vom ersten Tag an wie bei Ehepaaren, aber die Rechte waren minimal. Jedes Zugeständn­is der Politik war durchgekla­gt und dauerte Jahre“, sagt Kreile. „Also es war ein mühseliger, erbärmlich­er Prozess, das muss man so sagen, den die Politik da veranstalt­et hat.“Aber nicht nur die Politik stand in der Kritik. Auch die Kirchen. Bis heute beharrt die katholisch­e Kirche auf einer deutlichen Unterschei­dung. Der Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz, Kardinal Reinhard Marx, würde es zudem begrüßen, wenn die „Ehe für alle“beim Verfassung­sgericht auf den Prüfstand kommt. In der evangelisc­hen Kirche sind zumindest Segnungen von homosexuel­len Partnersch­aften üblich.

Noch härter wird wohl das ringen um die vollkommen­e gesellscha­ftliche Anerkennun­g der Ehen Homosexuel­ler. Das weiß auch Mende. Den Kampf gegen Vorurteile geht er jetzt aber selbstbewu­sster an: „Jetzt haben wir eine Situation erreicht, wo wir das erste Mal sagen können: Wir sind gleichbere­chtigt. Und an diejenigen, die uns angreifen, auf der Straße ganz alltäglich: Ihr habt unrecht.“

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FOTO: PEDERSEN/DPA Endlich verheirate­t: Karl Kreile und Bodo Mende küssen sich am Ende der Eheschließ­ung. Seit 38 Jahren sind die beiden ein Paar.

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