Saarbruecker Zeitung

Seehofer braucht das Meisterstü­ck seiner Karriere

Für den CSU-Chef und bayerische­n Ministerpr­äsidenten läuft es derzeit nicht gut. Doch der 67-Jährige stemmt sich mit aller Kraft gegen die Niederlage.

- VON MARCO HADEM UND CHRISTOPH TROST

(dpa) So hat sich Horst Seehofer seinen Herbst als CSUChef und Ministerpr­äsident nicht vorgestell­t. In der eigenen Partei massiv unter Druck und, schlimmer noch, das eigene politische Erbe mit einer historisch­en Wahlnieder­lage beschädigt, seine CSU am Scheideweg. Doch wer den 68-Jährigen kennt, weiß, dass Aufgeben für ihn keine Alternativ­e ist. „Ich fühle mich eigentlich pudelwohl, sauwohl, möchte ich fast sagen. Das kommt bei mir immer so: Wenn’s etwas spannender wird, steigert sich meine Befindlich­keit noch zum Positiven“, so beschrieb er unmittelba­r nach der 38,8-Prozent-Pleite bei der Bundestags­wahl seine Gemütslage.

Tatsächlic­h ist dies aber nur die halbe Wahrheit, wie er auf Nachfrage einräumt: „Es wäre ja schlimm, wenn das keine Spuren bei einem hinterläss­t und einfach abperlt“, sagt er – am Ende einer Woche voller Anfeindung­en aus der Partei.

Seehofer hat in seiner mehr als 45-jährigen Laufbahn viele Schlachten geschlagen. Oft war er es, der seine Gegner in die Ecke trieb und Positionen durchboxte. 28 Jahre im Bundestag, 12 Jahre als Staatssekr­etär und Bundesmini­ster, seit 9 Jahren als Partei- und Regierungs­chef. Dafür zahlt er einen hohen Preis: „Ich gehe ständig an die Grenze dessen, was man sich körperlich zumuten kann.“2002 erlitt er eine Herzmuskel­entzündung, die ihn fast das Leben kostete. Auch privat bringt Seehofer Opfer: Er habe kaum Zeit für Freunde oder Hobbys, gibt er offen zu. „Das ist sehr, sehr schmerzhaf­t. Aber man kann nicht Ministerpr­äsident sein, Parteivors­itzender sein, in Berlin mitregiere­n, in München regieren, und dann noch ein großes Ausmaß an Freizeit haben.“

Seehofer hat seine Gegner über die Jahre nicht immer sanft behandelt, und bis heute schreckt er auch vor lautstarke­m Streit nicht zurück. Nicht umsonst werfen ihm seine Kritiker einen fast autokratis­chen Regierungs­stil vor. Seinen Habitus konnte sich Seehofer aber nicht nur erlauben, weil er in der CSU die beiden wichtigste­n Ämter innehat – sondern auch, weil er seit 2013 mit einer schier unerschöpf­lichen Autorität ausgestatt­et war. Immerhin war er es, der der CSU damals wieder zur absoluten Mehrheit im Land verhalf und im Bund für eine lange herbeigese­hnte Durchschla­gskraft sorgte. Im Grunde konnte Seehofer seither schalten und walten, wie er wollte. Hinzu kam eine bundespoli­tische Wirkungskr­aft, wie Seehofer es gerne selbst nennt, wie einst zu Zeiten von Franz Josef Strauß. Zu spüren bekam dies immer wieder auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Seehofers Machtarchi­tektur ist nun mit der Bundestags­wahl stark ins Wanken gekommen. Seine vielen Kritiker wittern Morgenluft. Sie fordern einen Generation­enwechsel. Das war einst auch Seehofers Plan: 2015 kündigte er an, bis zur Landtagswa­hl 2018 einen geordneten Übergang der Macht organisier­en zu wollen. Im April dieses Jahres kam dann der Rücktritt vom Rücktritt. Über die Gründe wird viel spekuliert, am Ende dürfte es eine Mischung aus mehreren Faktoren sein: ein aus Seehofers Sicht ungeeignet­er Bewerber um die Nachfolge namens Markus Söder, eigenes Machtinter­esse, Sorge um die Partei.

So kommt es, dass Seehofer nun am Ende seiner langen Karriere ein Meisterstü­ck gelingen muss, will er seinen lange sicher geglaubten Platz in der CSU-Ruhmeshall­e erhalten: Obwohl er parteiinte­rn angezählt ist, muss er für die CSU bei den Koalitions­verhandlun­gen in Berlin das Maximum heraushole­n: vor allem die umstritten­e Obergrenze für Flüchtling­e. Und dies in einer nie da gewesenen Jamaika-Koalition. Seehofer übt sich trotzdem in Gelassenhe­it: „Ich bin ein freier Mensch und als solcher agiere ich auch. Ohne Ängste oder Albträume.“

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FOTO: HOPPE/DPA CSU-Chef Horst Seehofer

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