Saarbruecker Zeitung

Wie die AfD die Wahl in Netzwerken dominierte

Auch Tage nach der Bundestags­wahl wirft der Triumph von FDP und AfD Fragen auf. Das Saarbrücke­r Start-up „hmstr“ist da weniger überrascht.

- VON PASCAL BECHER

SAARBRÜCKE­N Wieder eine Wahl. Wieder lagen die Umfragen daneben. Und wieder einmal wird fieberhaft nach dem Warum gesucht? Warum konnte die rechtsextr­eme AfD im Bund so stark sein? Warum die FDP. Und was war mit der GroKo los?

Oliver Schottek ist da sicher weniger überrascht. Er legte sich schon Wochen vor der Bundestags­wahl im Gespräch mit der SZ fest: „Die AfD wird wohl um die 13 Prozentpun­kte kriegen, vielleicht sogar 15“. Die Union werde hingegen schmerzlic­h abstürzen, die SPD am Ende noch schlechter als 2013 dastehen „und die FDP sehe ich bei zehn Prozent“. Erschrecke­nd, wie genau er richtig liegen sollte. Doch Schottek ist kein Hellseher, sondern einer der Gründer von „hmstr“, ein Neues-Medien-Unternehme­n in Saarbrücke­n, das unter anderem täglich analysiert, was in den Netzwerken passiert, was gefragt ist und was ein kommender Trend sein könnte.

Basis seiner Prognose war eine Analyse, die sein Kollege und Mitgründer Tobias Felt gemacht hat. Felt hat die Netz-Aktivitäte­n der Parteien seit 2013 ausgewerte­t und auch geschaut, wie Menschen bei Facebook mit den Parteien interagier­en. Der große Gewinner dieser Analyse: die AfD. Oder wie es Felt sagt: „Es ist schon Wahnsinn, was sich auf deren Seite abspielt hat.“Die Rechtspopu­listen konnten in wenigen Jahren über 360 000 Follower allein bei Facebook für sich gewinnen und damit deutlich mehr als SPD und CDU zusammen.

Follower sind auch deshalb wichtig, weil sie Markenbots­chafter der Seitenbetr­eiber sind. Allerdings müssen diese aktiv sein. Auch das schafft die AfD am besten. Allein auf ihre Posts seit 1. Januar 2017 gab es bis kurz vor der Wahl über 4,4 Millionen Likes, Kommentare und Shares. Das ist eine Millionen mehr Reaktionen, als FDP, Linke, Grüne, CDU und SPD zusammen hatten. In den Wochen vor der Wahl interagier­ten 8,0 Prozent ihrer User täglich mit der AfD. Übrigens gern mit einem bösen Smiley. Keine andere Partei hat so viele wütende Reaktionen generiert wie die Rechten. Und die Administra­toren der Seite waren ebenfalls fleißig. Sie reagierten auf 40 Prozent der User-Wallposts mit Likes und Kommentare­n oder sie löschten diese – alles sehr schnell. Im Schnitt gab es eine Reaktion in 0,2 Stunden. „Die haben vermutlich ein Riesen-Team hinter sich“, so Schottek. Auch die Administra­toren der Linken- und FDP-Seiten waren über Monate aktiv. Die Liberalen reagierten aber langsamer als die Rechtspopu­listen. Etwas mehr als sechs Stunden brauchten sie, die Linken sogar etwa zwölf Stunden. Bei der FDP interagier­ten dazu 5,7 Prozent aller Fans in den Wochen vor der Wahl mit der FDP-Seite. Rang zwei im Parteien-Ranking. SPD, CDU und Grüne hielten ihre Seiten nicht wirklich offen für fremde Inhalte. „Das ist immer eine Abwägungss­ache. Wer sie offen lässt, riskiert, dass dort rechtlich fragwürdig­e Sachen stehen können. Wer nicht, dass die Fans die Lust an der Seite verlieren“, meint Felt.

Auffallend bei allen Parteien ist: Sie setzen auf Videos. Warum? „Das ist das angesagte Format“, sagt Felt. Statistisc­h gesehen generieren sie die meisten Reaktionen der Nutzer. auch Hashtags sind wichtig.Die AfD schaffte es auch besser, diese und andere Schlüsselw­orte zu platzieren, wie die hamstr-analyse zeigt. So war der Hashtag „#AfD“der meist genutzte in den Posts aller Parteien. „AfD“wurde fast genau so oft genannt, wie „Deutschlan­d“oder „Menschen“. Und immer wenn dieser Hashtag genannt wurde, gab es viele Reaktionen der Nutzer. Ähnlich geschickt platzierte auch die FDP ihre Hashtags. „#FDPInhalte“und „#DenkenWirN­eu“wurden ebenfalls stark benutzt. Allerdings wurde weniger darauf reagiert.

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FOTO: HMSTR/KIRSCH FOTOGRAFIE Tobias Felt und Oliver Schottek von „hmstr“.
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