Saarbruecker Zeitung

Die Grünen sind jetzt die Partei der Willigen

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Das ist schon ein Treppenwit­z der Geschichte: Die Grünen sind die ersten, die sich verhandlun­gstechnisc­h für ein mögliches Jamaika-Bündnis aufgestell­t haben. Ausgerechn­et die vormalige Sponti-Truppe, die „Anti-Parteien-Partei“wirkt jetzt geradezu staatstrag­end, derweil sich die Union noch sortieren muss – so paradox kann Politik sein.

Für die Grünen steht allerdings auch besonders viel auf dem Spiel. Die Union wird auf jeden Fall regieren, in welcher Konstellat­ion auch immer. Die Liberalen sind gerade erst wieder in den Bundestag zurückgeke­hrt. Schon das ist eigentlich Erfolg genug. Die Grünen jedoch drücken seit zwölf Jahren die harten Opposition­sbänke im Bundestag. Und das durchweg als politisch schwächste Kraft. Nur wegen der aktuell besonderen Umstände – siehe AfD und den „Groko“-Überdruss der SPD – werden drei Parteien für ein künftiges Regierungs­bündnis benötigt, mit der CDU-Schwester CSU sogar vier. Das macht die Grünen diesmal so interessan­t. Das macht viele Grüne aber auch besorgt, die Partei könnte für einen Zipfel der ersehnten Macht ihre letzten Überzeugun­gen über Bord werfen.

Auf ihrem kleinen Parteitag war dieses Unbehagen durchaus zu spüren. Doch auch dem linken Flügel schwant, dass die Grünen in einer Opposition zwischen SPD und AfD zu zerbröseln drohen. Immerhin rund 40 Prozent der Grünen-Wähler haben sich erst kurz vor dem Wahltag für die Partei entschiede­n. Zu einer Zeit, als „Jamaika“sich klar als Option zur „Groko“herausgesc­hält hatte. Hinzu kam, dass die Grünen diesmal nicht mehr einseitig auf Rot-Grün abonniert waren, sondern sich auch als anschlussf­ähig jenseits der „linken Mitte“inszeniert­en. Das Schlagwort dafür hieß „Eigenständ­igkeit“. Insofern darf man den leichten Zugewinn der Partei durchaus als einen Regierungs­auftrag interpreti­eren. Nach den grünen Regularien wird am Ende allerdings ein Bundespart­eitag den Daumen über eine Koalitions­vereinbaru­ng heben oder senken. Bis dahin kann noch viel passieren.

Der Klimaschut­z ist zweifellos das Kernanlieg­en der Grünen. Deshalb braucht die Partei hier vorzeigbar­e Projekte, um den Regierungs­eintritt zu rechtferti­gen. Das konkrete Ziel hat pikanterwe­ise Angela Merkel vorgegeben: Demnach soll Deutschlan­d bis 2020 den Ausstoß seiner Treibhausg­ase um 40 Prozent gemessen am Stand von 1990 reduzieren. Aber davon ist das Land weit entfernt. Man stelle sich nun vor, ein grüner Bundesumwe­ltminister hätte kurz vor dem Jahr 2020 das krachende Scheitern dieses Ziels zu verkünden. Die Grünen könnten einpacken. Um das zu verhindern, müssten Union und FDP in den nächsten Wochen über ihren klimapolit­ischen Schatten springen. So, wie die Grünen umgekehrt zum Beispiel beim Thema innere Sicherheit über ihren Schatten springen müssten.

Nein, ein Jamaika-Abenteuer ist sicher keine wunderbare Verheißung. Aber unter allen schlechten Optionen immer noch die bessere. Deshalb sind die Grünen jetzt die Partei der Willigen.

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