Verlorenes Dornröschen auf Zeitreise
Familiendrama und Kriegs-Story: Der Saarbrücker Ballettchef Stijn Celis hat am Samstag seine eigene Version des TanzKlassikers von Tchaikowsky auf die Staatstheater-Bühne gebracht. Schlüssig ist sie nicht.
Haupt-Handicap einer Produktion, die tänzerisch fasziniert und erzählerisch frustriert: Brüchigkeit. Zeitsprünge und ein kaum durchschaubarer Motiv-, Symbol- und Figurenmix aus gleich drei Dornröschen-Märchen (Charles Perrault, Giambattista Basile, Brüder Grimm) machen das Verständnis schwerer als nötig. Zu Beginn, im Palast, entfalten sich Magie und Magnetismus einer zeitentrückten Allgemeingültigkeit. Denn Alexandra Christian und Pascal Schut sind als Königspaar ein tänzerischer Ideal- und Glücksfall. Celis hat ihnen eine Intimität auf den Leib geschrieben, die den Atem stocken lässt: sublimierter Alltag bis hin zum Zähneputzen. Und natürliche Zärtlichkeit und Überfürsorge gegenüber der Tochter. Auch für die unterdrückte Aggressivität der Prinzen findet Celis Bewegungslösungen jenseits jeder Standardkost. Sie verfallen oft ins Ruckhaft-Animalische, muten auch schon mal wie Al-Quaida-Krieger an. Zudem darf Saúl Vega-Mendoza als böse Fee Carabosse und fieser Verführer alle Register exaltierten, expressiven Armreckens und Grätschens ziehen.
Atmosphärisch spielt dieses „Dornröschen“in einer gefährdeten, gefährlichen Welt. Jan Messerli hat exquisite reduzierte Zeichen für Schloss oder Wald gefunden. Hier fliegen Rosen wie Wurfspeere und schließlich, über Videobilder, auch Kriegsbomber. Letzteres lässt Stil und Stimmung kippen. Der Abend blutet aus, zerfranst. An der Musik liegt das wahrlich nicht. Celis hat sich auch aus der Partitur Peter Tschaikowskys gleichermaßen frei bedient, hat sie auf 90 Minuten gekürzt und umgestellt. Und Dirigent Stefan Neubert macht mit dem Staatsorchester die schwankende Unterwelt hinter den schwingend melodiösen Klang-Vordergründen hörbar, er greift tief in den Farbtopf. Trotzdem gelingen beglückende Aquarell-Töne, etwa der Geigen. So stand der Abend, der viel Beifall bekam, zumindest musikalisch auf mehr als solidem Sockel. Doch Abheben in den Balletthimmel? Wahrlich nicht.
Weitere Termine: 15., 18., 22., 26., 28., 31. Oktober, Tel. (06 81) 30 92 486.