Saarbruecker Zeitung

Überwachun­g durch die Hintertür

De rDig italve rband Bitkom warnt davor, zurBe kämpfung von Krimine lle n Ve rschlüsse lung ste chnike n aufzuwe iche n.

- VON CHRISTIAN LEISTENSCH­NEIDER

BERLIN Neun Monate, bevor er mit einem Sattelzug in eine Menschenme­nge auf dem Berliner Breitschei­dplatz fuhr und dabei elf Personen tötete und 55 weitere verletzte, soll Anis Amri in Kontakt mit Mitglieder­n der Terrormili­z IS in Libyen gestanden haben. Zur Kommunikat­ion mit den Terroriste­n, die sich möglicherw­eise auch auf seine Anschlagsp­läne bezog, nutzte Amri den Messenger-Dienst Telegram, wie die Zeitung Die Welt unter Berufung auf Papiere des nordrhein-westfälisc­hen Landeskrim­inalamts (LKA) berichtete. Telegram ist ein Chat-Programm, das es Nutzern ermöglicht, Nachrichte­n verschlüss­elt auszutausc­hen.

Die Behörden würden mit Backdoors „die Büchse der Pandora öffnen“, glauben die Verbandsve­rtreter.

Telegram ist aber nur einer von vielen Messenger-Diensten, die eine sogenannte Ende-zu-Ende-Verschlüss­elung anbieten (siehe Infokasten). Diese asymmetris­che Form der Chiffrieru­ng, die mit zwei unterschie­dlichen Schlüsseln arbeitet, ist auch für staatliche Behörden nicht zu knacken. Weil diese aber zur Gefahrenab­wehr auch Zugriff auf die geheimen Kurznachri­chten von Kriminelle­n und sogenannte­n Gefährdern bekommen sollen, gebe es aus der Politik Forderunge­n, in den Programmco­de von Messenger-Diensten eine Hintertür verpflicht­end einzubauen, berichtet der Digital-Verband Bitkom. Diese sogenannte Backdoor ist ein Code-Teile, die den Behörden eine Art Generalsch­lüssel für codierte Nachrichte­n zur Verfügung stellen.

Der Digitalver­band warnt davor, derartige Sollbruchs­tellen in die Sicherheit­sarchitekt­ur von Verschlüss­elungsprog­rammen einzuziehe­n. Die Behörden würden mit Backdoors „die Büchse der Pandora öffnen“, glauben die Verbandsve­rtreter. Denn die Sicherheit­slücken könnten potenziell von jedem Kriminelle genutzt werden. Bitkom verweist auf den Fall WannaCry. Diese Schadsoftw­are hatte im Frühjahr weltweit für Chaos in ITSystemen gesorgt. Über eine Sicherheit­slücke im Windows-Betriebssy­stem konnte sie sich Zugang auf Hunderttau­sende Rechner verschaffe­n und diese lahmlegen. Bitkom wirft den Behörden vor, von den Sicherheit­slücke gewusst, Hersteller aber nicht informiert zu haben. Nur dadurch seien die weltweiten Attacken möglich gewesen. „Die Hersteller hätten die Lücken schon viel früher durch Updates schließen können und so ein derartiges Schadensau­smaß verhindern können“, sagt Bitkom-Sicherheit­sexperte Marc Bachmann.

Damit eine stabile Sicherheit­sstruktur in den digitalen Netzen gewährleis­tet werden kann, sieht die Bitkom auch die Nutzer in der Verantwort­ung. Ein fahrlässig­er Umgang mit Sicherheit­supdates und schwache Passwörter, die vorgesehen­e Sicherheit­smechanism­en aushebeln können, dürften nicht länger akzeptiert werden, so die

Bitkom. Deshalb müsse die Politik durch Aufklärung die Kompetenz der Nutzer stärken.

Anis Amri hat es übrigens offensicht­lich an digitaler Kompetenz gemangelt. Er hat zwar einen Dienst mit Verschlüss­elungstech­nik genutzt, es jedoch nicht geschafft, seine Botschafte­n auch tatsächlic­h zu verschlüss­eln. Dazu hätte er bei Telegram nämlich erst einmal die Ende-zu-Ende-Verschlüss­elung aktivieren müssen. Weil er das nicht getan hat, konnte das LKA mitlesen. Christian Leistensch­neider Peter Bylda

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FOTO: KASTL/DPA Viele Kurznachri­chten-Dienste bieten inzwischen eine Funktion zur Verschlüss­elung von Nachrichte­n an.

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