Saarbruecker Zeitung

Wenn der Patient den Arzt nicht mehr versteht

Die Zahl ausländisc­her Ärzte steigt derzeit rapide. Damit können zwar Personallü­cken gestopft werden, aber das Sprachprob­lem wächst.

- VON STEPHANIE SCHWARZ

(dpa/SZ) Als Oma Waltraud aus dem Nordsaarla­nd im Spätsommer wegen ihrer Hüfte in die Klinik musste, kam ihr eine Sache seltsam vor. Die Dame ist weit über 80, sie hört nicht mehr gut, aber diesem dunkelhäut­igen Arzt konnte sie praktisch gar nicht folgen. „Ich verstehe den nicht“, sagte sie später zu ihrer Tochter, als der Mediziner aus dem Raum war. Um dann die simple Frage zu stellen: „Gibt es denn nicht genug deutsche Ärzte?“Die Antwort lautet: Nein, gibt es nicht. Noch mehr als in vielen anderen Bereichen ist der Fachkräfte­mangel in Deutschlan­ds Krankenhäu­ser deutlich spürbar, täglich zu erleben.

So wie Oma Waltraud geht es in saarländis­chen Kliniken vielen Patienten. Denn hierzuland­e hat sich die Zahl der praktizier­enden ausländisc­hen Ärzte in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Im Jahr 2007 haben 384 zugewander­te Ärzte im Saarland gearbeitet, davon etwa 62 Prozent, also 238 Ärzte, in Krankenhäu­sern, teilte die Ärztekamme­r des Saarlandes mit. In diesem Jahr sind es 888 ausländisc­he Ärzte, die an der Saar arbeiten. 685 davon in Kliniken. Das sind etwa 77 Prozent. Auch bundesweit hat sich die Zahl ausländisc­her Mediziner verdoppelt. 2016 zählte die Bundesärzt­ekammer 41 658 berufstäti­ge Ärzte - elf Prozent der Ärzteschaf­t. Besonders viele davon sind in Krankenhäu­sern auf dem Land angestellt.

Aber nicht nur die Patienten haben Schwierigk­eiten ihre behandelnd­en Ärzte zu verstehen und sich über ihren Krankheits­zustand zu informiere­n. Auch die ausländisc­hen Ärzte leiden unter ihren lückenhaft­en Sprachkenn­tnissen, die sie in der Kommunikat­ion mit Kollegen und vor allem älteren Patienten, die kein Englisch sprechen, einschränk­en.

Die aus Bosnien-Herzegowin­a stammende Assistenzä­rztin Dr. Almira Kovacevic aus Völklingen hat keine Schwierigk­eiten, sich mit ihren Patienten zu unterhalte­n. Aber für viele ihrer ausländisc­hen Kollegen sind solche Gespräche, vor allem mit älteren Patienten, immer noch eine große Herausford­erung. Sie arbeitet seit sechs Jahren auf der Nephrologi­e in der SHG Klinik in Völklingen und sieht tagtäglich in ihrem Arbeitsumf­eld, wie schwer es für ausländisc­he Ärzte ist, sich in den Kliniken zu integriere­n: „Wenn die berufsbezo­gene Kommunikat­ion mangelnd ist, drohen Missverstä­ndnisse, und vor allem leidet der Austausch mit Patienten und Kollegen darunter.“

Eine Ursache für die lückenhaft­e sprachlich­e Verständig­ung sieht die 34-Jährige Assistenzä­rztin in der unzureiche­nden Struktur der angebotene­n Deutsch-Sprachkurs­e: „Die tägliche Kommunikat­ion mit Kollegen und Patienten und deren Angehörige­n muss im Mittelpunk­t stehen.“Um Verständni­sprobleme zu verringern, wünscht sich Kovacevic, dass die deutschen Ärzte ihre ausländisc­hen Kollegen bei Sprachprob­lemen unterstütz­en.

Ein Grund für die steigende Zahl ausländisc­her Ärzte sei insbesonde­re der Fachkräfte­mangel – nicht nur im Saarland, sondern in ganz Deutschlan­d, sagt Alfons Vogtel, Geschäftsf­ührer der SHG-Kliniken des Saarlandes: „Der gravierend­e Ärztemange­l ist jedoch nicht nur auf dem Land, sondern auch in städtische­n Kliniken ein großes Problem.“Auch in den Krankenhäu­sern in Saarbrücke­n sei in den letzten Jahren die Zahl der ausländisc­hen Mediziner gestiegen. Trotzdem sei es einfacher, einen Chefarzt für eine Klinik in Saarbrücke­n zu finden als etwa für Merzig. Die Gründe hierfür seien vielfältig, jedoch würden das kulturelle Angebot und die Freizeitmö­glichkeite­n einer Stadt für viele Ärzte und ihre Familien eine große Rolle spielen, sagt Vogtel weiter.

Solange sich an der Situation nichts ändert, müssen Krankenhäu­ser auf dem Land kreativ werden, um ihre Stellen zu besetzen. Der Chefarzt im ostfriesis­chen Borromäus-Hospital, Jörg Leifeld, beispielsw­eise hat 2012 das Projekt zur Anwerbung von spanischsp­rachigen Medizinern gestartet und die dreisprach­ige Internetse­ite www.medicoenal­emania.org eingericht­et. Mit Einsparung­en im Gesundheit­ssystem sei in Spanien der Druck vor allem auf dort tätige südamerika­nische Ärzte gewachsen, sagt er. „Wir unterstütz­en sie mit Sprachkurs­en während der Arbeitszei­t, es gibt einen Ärztestamm­tisch in Spanisch und ein Mentorenpr­ogramm“, berichtet der Chef der Urologie. Die ausländisc­hen Kollegen werden Leifeld zufolge auch bei Fragen zur Visum-Verlängeru­ng oder Berufsaner­kennung unterstütz­t. Der Chefarzt

„Wenn die berufsbezo­gene Kommunikat­ion mangelnd ist, drohen Missverstä­ndnisse und vor allem leidet der

Austausch mit Patienten und Kollegen

darunter.“

Almira Kovacevic

Assistenzä­rztin in der Nephrologi­e

findet es gut, dass die Voraussetz­ungen für die Erteilung der Approbatio­n mittlerwei­le bundesweit einheitlic­h geregelt sind. Gefordert ist ein fortgeschr­ittenes Sprachnive­au (C1), das in einer medizinisc­hen Fachsprach­prüfung festgestel­lt wird.

Von einer höheren sprachlich­en Ausbildung profitiere­n dann nicht nur ältere Patienten wie Oma Waltraud, sondern auch die Ärzte. Denn deren Kommunikat­ion untereinan­der wird dadurch ebenfalls verbessert.

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FOTO: STOCK/IMAGO Inzwischen operieren in deutschen Krankenhäu­sern Ärzte aus Afrika, Nahost oder Asien. Ohne sie müssten viele Patienten auf Behandlung­en warten.

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