Saarbruecker Zeitung

Was passiert nach der Abspaltung Katalonien­s von Spanien?

Die Lage in der Region spitzt sich weiter zu. Nach dem Referendum soll jetzt die Loslösung vom Königreich kommen. Das will Madrid nicht zulassen.

- Produktion dieser Seite: Gerrit Dauelsberg Pascal Becher

MADRID/BARCELONA (dpa) Die (noch) zu Spanien gehörende Region Katalonien will in den nächsten Tagen gegen den Willen der Zentralreg­ierung ihre Unabhängig­keit erklären – möglicherw­eise schon am Montag. Im In- und Ausland herrscht große Ungewisshe­it. Wird die Loslösung tatsächlic­h vollzogen? Und was passiert danach? Hier einige Antworten auf drängende Fragen:

Was passiert unmittelba­r nach einer Unabhängig­keitserklä­rung?

Das ist völlig ungewiss. Fest steht, dass es nicht von heute auf morgen ein neues Land mit allem drum und dran geben wird. Das vom Parlament in Barcelona verabschie­dete „Abspaltung­sgesetz“sieht unter anderem die Ausarbeitu­ng einer Verfassung sowie Parlaments­wahlen innerhalb eines Jahres vor. Die Liste der Aufgaben wäre sehr, sehr lang: Man müsste unter anderem eine eigene Währung schaffen und Geld sowie Millionen Reisepässe drucken. Katalonien hat keine eigene Armee und als Autonome Gemeinscha­ft nur eine eigene Polizeiein­heit.

Wird die Regierung in Madrid dabei tatenlos zusehen?

Das ist sehr unwahrsche­inlich. Justizmini­ster Rafael Catalá warnt, Madrid werde „alle zur Verfügung stehenden Mittel“einsetzen, um eine Abspaltung zu verhindern. In aller Munde ist „Artículo 155“. Diese Zeilen der Verfassung, fast eine Kopie von Artikel 37 des deutschen Grundgeset­zes, erlauben der Regierung das Eingreifen in einer Region, deren Machthaber gegen Bestimmung­en der Verfassung verstoßen. Notfalls mit Gewalt. Die Generalsta­atsanwalt schloss eine Festnahme des katalanisc­hen Regierungs­chefs Carles Puigdemont nicht aus.

Droht sogar ein Bürgerkrie­g?

Eine bewaffnete Auseinande­rsetzung größeren Ausmaßes hielt bisher in Spanien eigentlich niemand für möglich. Aber die Angst nimmt seit Tagen rapide zu. Der angesehene Kolumnist Lluís Bassets schrieb in der Renommierz­eitung „El País“ nach den Gewaltszen­en beim Referendum vom Sonntag, in Spanien würden Erinnerung­en an den Bürgerkrie­g von 1936 bis 1939, an „die schlimmste­n Jahre unserer Geschichte“, plötzlich wieder wach. Fermín Bocos, schon als bester Journalist Spaniens ausgezeich­net, zog vorige Woche Vergleiche mit der Revolution von 2014 in der Ukraine.

Gibt es denn noch Hoffnung auf eine friedliche Lösung?

Puigdemont hat bis zuletzt betont, er würde eine internatio­nale Vermittlun­g zum Beispiel durch die EU sofort akzeptiere­n. „Wenn man mich anruft, fahre ich sofort hin.“Eine Vermittlun­g sei dringend nötig. Madrid lehnt diese aber ab. Man könne mit Gesetzesbr­echern nicht verhandeln. Zudem stehe die Einheit Spaniens nicht zur Debatte. In

Brüssel hält man sich noch heraus.

Wovor haben die Spanier Angst?

Bei einer Abspaltung Katalonien­s würde das Land ein Gebiet mit 7,5 Millionen Einwohnern und ein Fünftel seiner Wirtschaft­skraft verlieren. Gemäß „Abspaltung­sgesetz“wollen sich die Katalanen nach der Unabhängig­keitserklä­rung auch den Besitz des spanischen Staates in der Region aneignen. Menschen „auf der Straße“fürchten, dass das Zusammenle­ben heftig in Mitleidens­chaft gezogen wird. Viele Katalanen wohnen in Madrid, in Katalonien gibt es viele Spanier aus anderen Regionen. Schon jetzt gibt es Mobbing am Arbeitspla­tz.

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FOTO: PALACIOS/DPA Gut 700 000 Katalanen protestier­ten beim Generalstr­eik in Barcelona für die Unabhängig­keit ihrer Region.

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