Weiter Rätselraten um den stillen Amerikaner
Noch immer ist unklar, warum Stephen Paddock in Las Vegas 58 Menschen tötete. Aufschluss erhofft man sich von der Freundin des Attentäters.
MESQUITE/LAS VEGAS (dpa) Es ist wahnsinnig ruhig hier oben. Entfernt klackern Golfbälle, Klimaanlagen summen in der sengenden Hitze. Verlassen thront Stephen Paddocks sandsteinfarbenes Haus auf der Spitze des Hügels. Ein gelbes Polizeiband trennt den Kies um das Haus vom Gehweg. 1372 Babbling Brook Court, Mesquite, US-Bundesstaat Nevada: Hier hat der Todesschütze von Las Vegas, der am Sonntagabend 58 Menschen und sich selbst umgebrachte, zuletzt gelebt. „Sehr unauffällig und sehr alleine“, sagen Steve und Sandra Bolin (beide 66) im Wendehammer vor dem Haus in Sun City, eine Art Sahnestück von Mesquite. „Der wollte mit keinem was zu tun haben. Der kam und ging, oft war er lange weg.“
Stephen Paddock, der stille Amerikaner. Über den man so viel weiß, aber nichts erfährt. 64 Jahre alt, groß gewachsen, auf Fotos eher unrasiert als bärtig, nach Angaben seiner Brüder Millionär, mehrfach umgezogen. Pilotenlizenz, Besitzer zweier Flugzeuge, Ex-Buchhalter beim Rüstungsgiganten Lockheed Martin. Sohn eines Bankräubers, versierter Spieler, selbst eine völlig unauffällige Existenz. Warum er von seinem Zimmer im 32. Stock des Casino-Hotels „Madalay Bay“aus auf Besucher eines Open-Air-Konzerts feuerte, ist weiter völlig unklar.
Kann Paddocks Freundin zur Aufklärung beitragen, die nach einer Auslandsreise von den Philippinen wieder in den USA zurückgekehrt ist und nun vernommen wird? Sie gilt unter Ermittlern als „Person von Interesse“. So bezeichnen Fahnder Menschen, von denen sie sich wichtige Informationen versprechen, die aber gegenwärtig nicht zwangsläufig als Tatverdächtige eingestuft werden. Paddocks Freundin habe einen australischen Pass und sei zuletzt am 25. September aus Tokio kommend in Manila gelandet, zitiert CNN eine Sprecherin der philippinischen Einwanderungsbehörde.
Zudem wird bekannt, dass Paddock etwa 100 000 Dollar auf die Philippinen überwiesen hat. Wann er das Bankgeschäft erledigte und an wen das Geld konkret ging, bleibt zunächst unbekannt,
Seine Tat in Las Vegas hatte Paddock „umfassend“vorbereitet, wie es Bezirkssheriff Joseph Lombardo formuliert. Nach weiteren offiziellen Angaben fand die Polizei neben mehr als 20 Schusswaffen in der Hotelsuite im „Mandalay Bay“auch eine Kamera, die im Guckloch der Eingangstür installiert war. Zwei weitere waren im Flur angebracht. Nach Polizeiangaben sollten sie Paddock offenkundig vor dem Eintreffen von Polizisten warnen. An zwölf Waffen seien zudem Vorrichtungen entdeckt worden, die das Abfeuern von Schüssen beschleunigen können.
Insgesamt hat die Polizei nach jüngsten Angaben im Hotelzimmer und in zwei Häusern des Täters in Mesquite und in Reno 47 Schusswaffen sichergestellt. Sie seien in Utah, Kalifornien, Texas und Nevada gekauft worden. Außerdem wurden Sprengstoff und Tausende Schuss Munition entdeckt.
141 Kilometer lang ist die Strecke von Paddocks jetzt verbretterter Garage auf Sun Citys Hügeln zum Tatort der furchtbaren Todesnacht, die schon jetzt in die Geschichte der USA eingegangen ist. Auf dem Freeway flirrt die Hitze, scharf konturierte Berge säumen den Weg. 33 Kilometer vor der Senke von Las Vegas taucht die Skyline der Stadt der Spieler zum ersten Mal auf. Am rechten Rand ist Donald Trumps Hotel zu erkennen. Gestern sah sich der US-Präsident vor Ort in Las Vegas um. „Eine sehr traurige Sache, auch für mich persönlich“, sagte er vor dem Abflug in der Hauptstadt Washington.