Saarbruecker Zeitung

Wie lange hält Schulz noch durch?

Der angeschlag­ene SPD-Chef braucht dringend einen Erfolg.

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BERLIN/HANNOVER (dpa) Nur zwei Mal soll Martin Schulz dabei sein. Öfter hat Stephan Weil seinen Parteichef für die heiße Wahlkampfp­hase in Niedersach­sen nicht „gebucht“. Angela Merkel wird fünf Mal für den CDU-Herausford­erer Bernd Althusmann im Einsatz sein. Moment mal. Seit der Katastroph­e bei der Bundestags­wahl behaupten doch alle SPD-Spitzenleu­te, Schulz bleibe trotz des Absturzes auf 20,5 Prozent an der Parteispit­ze, weil er unveränder­t „Sozis Liebling“sei? „Die Basis hängt an Martin Schulz“, behauptet auch Weil. Draußen im Land, zwischen Cuxhaven und Göttingen, will er es aber vor allem aus eigener Kraft schaffen, seinen Ministerpr­äsidentenj­ob zu verteidige­n. Geht Niedersach­sen am 15. Oktober verloren, ist dann Schulz’ Autorität in der Partei endgültig dahin?

Das Saarland, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, die Bundestags­wahl. Die Liste der Pleiten, für die Schulz den Kopf hinhalten muss, ist lang. Der gescheiter­te Kanzlerkan­didat muss sich nun auch noch mit den Folgen jener „Spiegel“-Reportage herumschla­gen, in der er als emotionale­r Loser, umgeben von überforder­ten Strategen, beschriebe­n wird. Zitat: „Die Leute finden mich peinlich, die lachen doch über mich.“

Schlau war es sicher nicht, in dem oft gnadenlose­n Politik- und Medienbetr­ieb sich so verletzlic­h zu zeigen. Vielen einfachen SPD-Mitglieder­n könnte aber imponieren, mit welcher Leidenscha­ft Schulz – gerade vor dem Hintergrun­d düsterer Umfragezah­len und wachsender Selbstzwei­fel – bis zum Schluss auf den Marktplätz­en unterwegs war. Aber selbst ein Erfolg in Niedersach­sen dürfte die interne Debatte, ob der Mann aus Würselen noch der Richtige für den Neuanfang ist, nicht verstummen lassen.

Was aber würde die SPD mit einem Rücktritt ihres 100-Prozent-Vorsitzend­en, in dessen kurzer Amtszeit mehr als 24 000 Bürger neu in die SPD eingetrete­n sind, gewinnen? Wer nur auf Personen schaut, bereits auf Kanzlerkan­didaturen 2021 schielt, verkennt die dramatisch­e inhaltlich­e und strukturel­le Krise der Sozialdemo­kraten. Die starke Frau in der SPD, die neue Fraktionsc­hefin Andrea Nahles, dürfte absehbar genug zu tun haben, die Partei im Bundestag als glaubwürdi­gen Gegenpol zu Jamaika, Linken und AfD aufzubauen.

Umfragen sagen für die Abstimmung in Niedersach­sen am übernächst­en Sonntag ein Kopf-an-KopfRennen zwischen CDU und SPD voraus. In den Berliner Parteizent­ralen fiebern sie dem Ausgang nervös entgegen. Wie entscheide­n sich die sechs Millionen Wahlberech­tigten nur drei Wochen nach dem Rechtsruck der Republik? Die niedersäch­sische AfD konnte Umfragen zufolge bislang vom Comeback des Flüchtling­sthemas nicht wirklich profitiere­n. Möglicherw­eise stärken die Wähler nun auch die Volksparte­ien, die im Bund gerade abgestraft wurden. Welchen Stellenwer­t die Landtagswa­hl hat, zeigt allein schon die Tatsache, wie die Union in Berlin die Jamaika-Gespräche im Dornrösche­nschlaf-Modus hält.

Nach dem dicken Minus bei der Bundestags­wahl muss als erstes eine neue Geschäftsg­rundlage zwischen den beiden Unionspart­eien CDU und CSU her. Dass CSU-Chef Horst Seehofer akut angeschlag­en ist, macht alles komplizier­ter. An diesem Sonntag wollen die Unionsspit­zen über eine gemeinsame Positionie­rung beraten, mit der sie dann auch auf FDP und Grüne zugehen können. Denn ewig kann Merkel die Regierungs­partner in spe nicht hinhalten. Für die Kanzlerin geht es in Niedersach­sen auch um die Schlussbil­anz eines Jahres mit klaren CDU-Siegen – aber auch der historisch schlechten Bundestags­wahl.

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FOTO: CHARISIUS/DPA Peinlich? Martin Schulz, geplagt von Selbstzwei­feln.

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