Saarbruecker Zeitung

EU sagt Steuernach­lässen den Kampf an

Irland erlässt Apple Steuern in Milliarden­höhe, Luxemburg trifft Absprachen mit Amazon. Der EU-Kommission platzt endgültig der Kragen.

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irische Regierung der Firma mit dem angebissen­en Apfel im Logo teilweise erhebliche Vergünstig­ungen eingeräumt. Der Körperscha­fts-Steuersatz sei zuletzt auf 0,005 Prozent gesenkt worden. Derartige gezielte Vorteile bei der Berechnung der fälligen Abgaben sind nach den Beihilfevo­rschriften der EU strikt untersagt, weil sie den Wettbewerb auf dem Binnenmark­t verzerren. Die irische Regierung hatte sich zunächst geweigert, den Computer- und Smartphone-Riesen zur Kasse zu bitten. Inzwischen, so wurde gestern in Dublin betont, arbeite man

Margarethe Vestager intensiv daran, dass der Staat seinen Verpflicht­ungen „so schnell wie möglich“nachkomme. Insofern sei das harte Vorgehen der EU-Behörde „extrem bedauerlic­h“. Die Kommissari­n zeigte zwar Verständni­s dafür, dass „die Rückforder­ung komplizier­ter sein kann“. Brüssel habe allerdings reagieren müssen, nachdem Irland eine zunächst gesetzte Frist bis zum 3. Januar 2017 verstreich­en ließ.

Politisch fast noch brisanter dürfte der Fall Amazon sein. Der weltgrößte Versandhän­dler hatte 2003 ein Abkommen mit den luxemburgi­schen Steuerbehö­rden geschlosse­n, das den Zugriff auf den Konzern begrenzte. „Fast drei Viertel der Gewinne von Amazon wurden nicht versteuert“, sagte Vestager gestern und betonte die Unabhängig­keit ihrer Untersuchu­ngen – aus gutem Grund. Denn zum Zeitpunkt der Vereinbaru­ng mit Amazon war der heutige Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker luxemburgi­scher Premier- und Finanzmini­ster in Personalun­ion. Immer wieder musste sich Juncker deshalb in den vergangene­n Jahren Fragen nach seiner Rolle in der LuxLeaks-Affäre gefallen lassen. Dabei betonte er, weder aktiv eingegriff­en noch Absprachen auf den Weg gebracht zu haben. Die Steuerbehö­rden des Landes seien autonom und nicht der Regierung verpflicht­et. Amazon beendete die umstritten­e Regelung 2015 und versteuert seither seine Erträge in den einzelnen Mitgliedst­aaten – also auch in Deutschlan­d.

Dennoch gelten beide Fälle als die Spitze des Eisbergs vergleichb­arer Abmachunge­n zwischen Regierunge­n und Unternehme­n. Wettbewerb­shüterin Vestager hatte nach Bekanntwer­den der Vorwürfe Ermittlung­sverfahren gegen 24 der 28 EU-Mitgliedst­aaten eröffnet, weil es sich stets um Verstöße gegen die Beihilfe-Regelungen handele. Unklar ist, wie sich der EuGH nun verhalten wird. In einem Urteil vor einigen Jahren hatten die Richter die Praxis der Regierunge­n, den Wettbewerb um Standortan­siedelunge­n über Niedrigste­uern zu führen, ausdrückli­ch erlaubt.

„Drei Viertel der Gewinne von Amazon wurden

nicht versteuert.“

EU-Wettbewerb­skommissar­in

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