Saarbruecker Zeitung

„Ich verstehe Wut, aber keinen Hass“

Iris Berben liest am Samstag in Zweibrücke­n Gedichte eines NS-Opfers. Ein politische­s Statement.

- DIE FRAGEN STELLTE SEBASTIAN DINGLER.

ZWEIBRÜCKE­N Am Samstag besucht ein echter deutscher Star die Stadt Zweibrücke­n: Schauspiel­erin Iris Berben wird in der Festhalle Gedichte der von den Nazis ermordeten Selma Meerbaum-Eisinger lesen, Star-Pianist Martin Stadtfeld leistet dazu den musikalisc­hen Beitrag. Die 67 Jahre alte Schauspiel­erin ist außerdem derzeit in den Kinos mit der Komödie „High Society“zu sehen.

Frau Berben, engagieren Sie sich eigentlich noch politisch?

BERBEN Ja, wir leben ja in einer Zeit, in der man damit nicht aufhören kann, oder? Ich engagiere mich nach wie vor für Politik.

Kommen wir zu Ihrem neuen Kinofilm. Gehören Sie zur „High Society“?

BERBEN Nein. Meine Wahrnehmun­g von High Society kommt aus den 70er und 80er Jahren in München. Die ist ja auch von Helmut Dietl (Regisseur von Filmen wie „Rossini“, Anm. der Red.) persiflier­t worden. Die High Society, wie sie mal existierte, sehe ich heute nicht mehr. Heute ist es mehr eine große Ansammlung von Menschen, die das Bedürfnis haben, medial vorzukomme­n. Diese Mischung, die es mal gab, auch mit all den Künstlern, als ganz eigene soziale Schicht – die gibt es heute nicht mehr. Es ist heute eine große Bling-Bling-Selbstdars­tellung.

Jetzt zu dem Abend, den Sie zusammen mit Martin Stadtfeld in Zweibrücke­n bestreiten…

BERBEN Ein wunderbare­r Pianist!

Wie kam es zu dieser Zusammenar­beit?

BERBEN Ich war in einigen seiner Konzerte. Als es darum ging, dass ein neues Programm mit mir erarbeitet wird, stand er als ein großer Wunschpart­ner auf der Liste. Die Anfrage ging an ihn, und, womit ich gar nicht gerechnet hatte, er hat die Gedichte von Selma Meerbaum-Eisinger gelesen, und es kam ein promptes Ja. Das hat mich natürlich mehr als glücklich gemacht. Denn abgesehen von seiner Leistung, die er als Pianist einbringt, ist es ja ein Statement, eine Haltung, solch einen Abend zu bestreiten. Natürlich sind die Gedichte von Selma Meerbaum-Eisinger gewählt worden, um durch ihre Lyrik gegen das Vergessen zu arbeiten. Das bedeutet, dass Martin Stadtfeld eine klare Haltung zu dieser Thematik hat. Das tut gut. Das ist wie „Komplizen suchen und Komplizen kriegen“für ein Thema, das ich ja jetzt seit über vier Jahrzehnte­n immer wieder auf unterschie­dliche Weise versuche zu bearbeiten.

In der Tat haben Sie sich sehr viel mit dem Judentum beschäftig­t – wie sehen Sie heute die Gefahr des Antisemiti­smus in Deutschlan­d?

BERBEN Wir haben seit einigen Jahren mit sehr viel Herausford­erungen zu tun. Es geht um Migration, um die Flüchtling­e, es geht darum, dass sich eine Partei wie die AfD etablieren konnte mit einem großen Zulauf. Ich weiß, dass es diese Themen weltweit gibt, aber wir haben eine eigene Geschichte und Antisemiti­smus ist kein Thema, das irgendwann erledigt wird. Ganz im Gegenteil: Wir müssen uns mit Mechanisme­n auseinande­rsetzen, die schon mal gegriffen haben. Es werden Menschen leicht eingefange­n, die verunsiche­rt und besorgt sind. Man versucht ihnen einfache Antworten auf sehr komplexe Veränderun­gen zu geben. Ich verstehe Wut bei vielen Leuten, aber ich kann eben keinen Hass verstehen. Insofern ist es ganz wichtig, dass wir immer wieder eine Haltung zeigen, dass wir uns stark machen und den anderen nicht das Terrain überlassen. Unsere Gesellscha­ft ist eine sehr starke Gesellscha­ft und unsere Demokratie ist sehr, sehr stark. Aber sie muss immer wieder eingeforde­rt werden, immer wieder als ein hohes Gut erklärt werden. Die Politik, die sich von den Menschen entfernt hat, muss wieder Wege finden, an den Menschen dranzublei­ben, ihnen erklären, dass wir in einer großen Veränderun­g stecken, dass wir rausmüssen aus unseren Komfortzon­en. Die Arbeit, die wir zu leisten haben, ist viel und muss an jede Generation weitergege­ben werden.

 ?? FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA ?? Schauspiel­erin Iris Berben engagiert sich seit vielen Jahren politisch, auch gegen Antisemiti­smus. Nun kommt sie nach Zweibrücke­n.
FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA Schauspiel­erin Iris Berben engagiert sich seit vielen Jahren politisch, auch gegen Antisemiti­smus. Nun kommt sie nach Zweibrücke­n.

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