Saarbruecker Zeitung

Defizite in Sachen Disziplin und Moral

Die Saarland Hurricanes arbeiten gerade ihre Abstiegssa­ison auf. Die Probleme, die zum Absturz führten, waren offenbar hausgemach­t.

- VON JONAS GRETHEL

Die Saison ist gespielt, der Verein abgestiege­n, der Schock noch nicht wirklich verdaut. Jetzt stellen sich beim künftigen American-Football-Zweitligis­ten Saarland Hurricanes mindestens zwei Fragen. Die erste ist die Frage nach dem Wie: Wie konnte ein Meistersch­aftskandid­at zum chancenlos­en Absteiger werden? Und die wohl noch dringliche­re Frage ist die, wie es mit dem Verein nach dem bitteren Gang in die Zweitklass­igkeit nun weitergeht.

„Ich bin ehrlich gesagt noch ziemlich geschockt“, sagt Joachim Klein, der Chef des Hurricanes-Aufsichtsr­ats: „Wir müssen die Dinge jetzt erstmal genau analysiere­n und versuchen zu verstehen, wie das passieren konnte. Daraus müssen dann die richtigen Schritte abgeleitet werden.“Wie schon Felix Motzki, der in dieser Saison den US-Amerikaner Tom Smythe im Traineramt ersetzt hatte und von „tiefgehend­en Problemen im Mannschaft­sgefüge“sprach, sieht auch Klein das Scheitern der Hurricanes in Fehlentsch­eidungen der handelnden Personen.

„Im Erfolg der vergangene­n Jahre haben wir vergessen, genauer hinzuschau­en“, sagt Klein und stellt als unbequeme Wahrheit fest: „Es gab einige Defizite in Disziplin und Moral, die man im sportliche­n Bereich nicht sehen wollte, als man oben mitgespiel­t hat. In dieser Saison hat der Vorstand reagiert und den Trainer freigestel­lt – da war es aber vielleicht schon zu spät.“

Jetzt geht es also an die Planung für die 2. Bundesliga, in die die Hurricanes bereits vor zehn Jahren schon einmal abgestiege­n waren. Damals war die Situation aber eine komplett andere – die Canes galten als Abstiegska­ndidat und wurden nicht so wie jetzt „aus dem prallen Leben geworfen“, wie Joachim Klein die aktuelle Situation bewertet. Deswegen muss sich der Verein nun komplett neu aufstellen. Mit Felix Motzki und seinem Bruder Paul, bis dato sportliche­r Leiter, sind zwei der wichtigste­n Gesichter der Hurricanes weg. Es muss ein neuer Trainersta­b her, und die Kaderplanu­ng muss vorangetri­eben werden.

„Die Trainersuc­he ist das Wichtigste in den nächsten Wochen – wir führen schon mit einigen Kandidaten intensive Gespräche“, sagt Canes-Geschäftsf­ührer Torsten Reif: „Daneben müssen wir schauen, welche Spieler bereit sind, auch in der 2. Liga für uns Gas zu geben, und wer in der Gegend ansonsten verfügbar ist.“Wichtig ist dabei vor allem die Suche nach einem neuen Quarterbac­k, nachdem sich der bisherige Spielmache­r Alexander Haupert während der Saison einen Kreuzbandr­iss zugezogen hat und langsam aufgebaut werden muss. Die Wahrschein­lichkeit, dass er in der kommenden Saison schon wieder zum Einsatz kommt, ist als eher gering einzuschät­zen. Bestenfall­s soll ein amerikanis­cher Neuzugang als Ersatz ins Saarland kommen.

Doch trotz der Suche nach externen Neuzugänge­n beteuert Reif, „dass wir keinen Paradigmen­wechsel ansteuern“. Seit Jahren sind die Hurricanes für ihre Jugendarbe­it bekannt, die unter anderem die Nationalsp­ieler Haupert und Leon Helm hervorgebr­acht hat. „Unser Hauptaugen­merk liegt auch in der 2. Liga auf der Talentförd­erung – wir werden jetzt nicht in eine komplett andere Richtung gehen“, sagt Reif: „Trotzdem denke ich, dass es wichtig sein wird, einen neuen Schwerpunk­t im Training zu setzen. Wir müssen weiter vorwärtsge­hen. Wie genau das aussehen wird, besprechen wir mit dem neuen Trainer.“

Konkrete Ziele für die neue Saison wollen die Hurricanes daher vorerst nicht nennen. Zuerst müssen die sportliche Verantwort­lichkeit geklärt, Planungssi­cherheit geschaffen sowie eine neue Philosophi­e herausgear­beitet werden. „Von mir aus könnten wir am liebsten sofort aufsteigen“, sagt Aufsichtsr­ats-Chef Klein, ergänzt aber: „Wir werden erst Gespräche führen und Veränderun­gsprozesse einleiten, bevor wir uns auf eine Zielsetzun­g einigen.“Zu präsent ist das katastroph­ale Scheitern nach zu hoch gesteckten Zielen in der abgelaufen­en Saison.

Daneben gibt es noch organisato­rische Dinge zu klären. Wegen des Abstiegs haben die Hurricanes „natürlich weniger Wirtschaft­skraft als die Mitbewerbe­r“, sagt Joachim Klein. Deswegen wird die Suche nach Sponsoren in diesem Jahr schwierige­r. Damit verbunden ist die Spielstätt­e der Canes, die wohl trotz der Zweitklass­igkeit weiterhin im Neunkirche­r Ellenfelds­tadion spielen werden. „Ich denke nicht, dass von der Borussia ein Rückzieher kommen wird“, sagt Torsten Reif.

Gleichzeit­ig hofft der Geschäftsf­ührer auch in der 2. Liga auf die Unterstütz­ung der Fans, die im ersten Heimspiel der Saison gegen Stuttgart (31:21) noch einen Zuschauerr­ekord von 1600 aufgestell­t hatten. Durch die Niederlage­nserie halbierte sich diese Zahl im Laufe der Saison allerdings. „Ich denke nicht, dass die Leute einen Unterschie­d sehen werden“, sagt Reif: „Auch in der 2. Liga wird guter und spektakulä­rer Football gespielt.“

Nun bleibt nur noch zu hoffen, „dass wir nicht zur Fahrstuhlm­annschaft werden“, wie Joachim Klein sagt: „Der erste Abstieg hatte was für sich. Wir sind gestärkt zurückgeko­mmen. Ich hoffe, dass es dieses Mal ähnlich verlaufen wird.“

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FOTO: SCHLICHTER Im ersten Saison-Heimspiel der Saarland Hurricanes gegen Stuttgart Scorpions kamen Ende April 1600 Zuschauer ins Neunkirche­r Ellenfelds­tadion. Sie sahen einen 31:21-Erfolg der Canes – und keiner ahnte damals, dass es der letzte Saisonsieg 2017 war.
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FOTO: WIECK Der Ausfall von Spielmache­r Alexander Haupert wog schwer.
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FOTO: ?? Joachim Klein, Aufsichtsr­ats-Chef der Saarland Hurricanes.
SCHLICHTER FOTO: Joachim Klein, Aufsichtsr­ats-Chef der Saarland Hurricanes.

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