Leidenschaftliche Dringlichkeit
Auf „Holiday Destination“kümmert sich Nadine Shah um verdrängte Wahrheiten und weltpolitische Themen
Warum kümmern sich die Songschmiedinnen mehr um Weltpolitik als ihre männlichen Kollegen? PJ Harvey, Kate Tempest, EMA und Nadine Shah geben diesbezüglich fraglos den Ton an. Sie katapultieren ihre Wut nicht nur mit enormer Wucht und zugleich erfrischender Deutlichkeit in die Musik-Szene, sondern auch mit beeindruckend großer Musikalität. Gekoppelt wird das Ganze an ein schier überbordendes Sendungsbewusstsein sowie eine jeweils unüberhörbare, charismatische Stimme.
Schon die Eröffnung des 10-Song-Reigens bollert frech drauf los, am Ende freimütig „Refugees are welcome here!“skandierend. Ja, dieses Repertoire stellt jene Gewissensfragen, denen sich dieses Europa stellen muss. Auch der darauf folgende Title-Track mit der Zeile „How you’re gonna sleep tonight?“schont uns nicht. Man wird kalt erwischt, denn manchmal träumt man nicht gut, weil all das hoch kommt, was wir so gerne verdrängen. Die musikalischen Mittel für Nadine Shahs leidenschaftliche Dringlichkeit sind im Indie-Rock, Noise, Dancefloor, FreeJazz, Soul und Gothic Pop angesiedelt. Es knallen die Beats, es schaben und schneiden die elektrischen Saiten. Ein fröhliches „Hurray, hurray, it’s a holi-holiday“bleibt einem – begleitet vom Blick auf’s Cover – während der Laufzeit von „Holiday Destination“(PIAS/Rough Trade) jedenfalls hartnäckig im Hals stecken.