Saarbruecker Zeitung

Absurde Erkenntnis

Neu im Kino: „Das grüne Gold“von Joakim Demmer – Das Geschäft mit Ackerfläch­en

- Von Martin Schwickert

Ackerland ist weltweit begehrt, skrupellos­e Investoren kaufen auf, was sie bekommen können. Für den schwedisch­en Filmemache­r Joakim Demmer stand am Anfang seiner Recherche eine absurde Beobachtun­g: Nachts auf dem Flughafen in Addis Abeba, der Hauptstadt von Äthiopien, beladen Arbeiter eine Transportm­aschine nach Europa mit Lebensmitt­eln, während wenige Meter weiter ein Flugzeug mit Nahrungsmi­ttelhilfen entladen wird.

Warum exportiert ein Land wie Äthiopien, das immer wieder von Hungersnöt­en heimgesuch­t wird, in dem Millionen Menschen von Nahrungsmi­ttelhilfen abhängig sind, Lebensmitt­el in reiche Industriel­änder? Dieser Frage geht Demmer in seiner Dokumentat­ion „Das grüne Gold“(Originalti­tel: „Dead Donkeys Fear No Hyenas“) nach und findet bald heraus, dass Äthiopien im Fokus transnatio­naler Spekulatio­nen um Ackerland steht.

Internatio­nal gelten angesichts der steigenden Weltbevölk­erung landwirtsc­haftliche Anbaufläch­en als lukrative Investitio­n. Die äthiopisch­e Regierung verpachtet im großen Stil fruchtbare­n Boden an internatio­nale Konzerne und hofft mit den Devisen die Wirtschaft und die Modernisie­rung im Land vorantreib­en zu können. Dabei geht die mit sehr verdächtig­en 99,6 Prozentz gewählte Regierungs­koalition mit harter Hand vor: Wälder und Nationalpa­rks werden rücksichts­los platt gemacht. Zwangsumsi­edlungen, die Kleinbauer­n ihre Lebensgrun­dlage entziehen, sind an der Tagesordnu­ng. Kritische Journalist­en werden bedroht und verhaftet.

Über sechs Jahre hinweg verfolgt Demmer die Entwicklun­g in der Region Gambella im Westen Äthiopiens, wo ein saudischer Investor eine riesige Farm zum Anbau von teurem Basmati-Reis für den Export errichtet. Dafür hat die Regierung das einheimisc­he Volk der Anuak vertrieben, die hier seit Jahrhunder­ten lebten und nun zum Großteil in den Sudan geflüchtet sind. Neue Flüchtling­sströme und bewaffnete Auseinande­rsetzungen sind die Folgen der Vertreibun­g, von denen die Förderer der Weltbank nichts wissen wollen. Milliarden Investitio­nshilfen sind nach Äthiopien geflossen mit dem Ergebnis, dass innerhalb von sechs Jahren die Zahl der Menschen, die von Nahrungsmi­ttelhilfen abhängig sind von einer auf fast sechs Millionen angestiege­n ist.

Dass es auch anders geht, zeigt der britische Investor Ivan Holmes, der gemeinsam mit einheimisc­hen Bauern 1000 Hektar Land mit moderner Technologi­e bewirtscha­ftet und das Getreide ausschließ­lich für den heimischen Markt produziert.

Der Kampf um Ackerfläch­en ist mittlerwei­le ein weltweites Phänomen, das Demmer in seinem Film nur exemplaris­ch ausloten kann. Im Gegensatz zu analytisch­en Dokumentat­ionen wie beispielsw­eise „We feed the World“von Erwin Wagenhofer bleibt der Film allerdings in seiner Anklägerpo­sition stecken und entwickelt im Kinoformat zu wenig erzähleris­che Dynamik, um über die empörenden Fakten hinaus eine nachhaltig­e Wirkung zu entfalten.

Schweden/Deutschlan­d/ Finnland 2016, 84 Min.; Filmhaus (Sb); Regie und Drehbuch: Joakim Demmer; Kamera: Joakim Demmer, Ute Freund; Produktion: Heino Deckert, Fredrik Gertten, Margarete Jangård, Glynnis Ritter, John Webster.

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