Saarbruecker Zeitung

Niedersach­sen macht Jamaika nicht leichter

Nach der Wahl wird der Ton zwischen FDP und Grünen rauer. Morgen startet die Sondierung im Bund.

- VON WERNER KOLHOFF UND STEFAN VETTER Produktion dieser Seite: Robby Lorenz, Frauke Scholl Stephanie Schwarz

BERLIN Alle drei potentiell­en Jamaika-Partner, Union, FDP und Grüne, haben bei der Niedersach­sen-Wahl am Sonntag teilweise stark an Stimmen eingebüßt. Das macht die Bildung der neuen Koalition in Berlin nicht leichter. CDU-Chefin Angela Merkel rechnet sogar mit mehreren Wochen, und zwar nur für die am Mittwoch beginnende­n Sondierung­sgespräche. Echte Koalitions­verhandlun­gen folgen erst danach.

Inzwischen gilt es als unwahrsche­inlich, dass die nächste Bundesregi­erung noch in diesem Jahr zustande kommt.

Merkel verwies auf die Beschlussl­age der Grünen, bei denen nach den Sondierung­sgespräche­n ein Parteitag stattfinde­n muss, um über die Aufnahme förmlicher Koalitions­verhandlun­gen zu entscheide­n. Dafür müsse bereits ein ausgehande­ltes Papier vorliegen, „das in den wichtigste­n Punkten deutlich macht, wohin die Reise geht“, so die CDU-Chefin. Auch ihre Union will Merkel an dem Prozess beteiligen. Auf einer Klausurtag­ung des Vorstandes sollten die Sondierung­sergebniss­e bewertet werden, kündigte sie an. Merkel mahnte alle Partner, „nicht als erstes mit roten Linien“in die Gespräche zu gehen, sondern sich zu fragen „was braucht Deutschlan­d, was muss gute Regierungs­führung leisten, um die Probleme zu lösen“.

Bei FDP und Grünen war diese Botschaft gestern allerdings noch nicht so richtig angekommen. Beide formuliert­en Bedingunge­n für eine Zusammenar­beit und machten sich zudem gegenseiti­g wegen der Situation in Niedersach­sen Vorwürfe. So reagierte der Grünen-Politiker Jürgen Trittin tief verärgert auf die kategorisc­he Absage der Landes-Liberalen an ein mögliches Regierungs­bündnis mit der SPD und den Grünen in Hannover: „Dass sich die FDP einfach Gesprächen verweigert, ist demokratis­ch verantwort­ungslos“. Dagegen bekräftigt­e FDP-Generalsek­retärin Nicola Beer, dass man nicht als „Steigbügel­halter“für Rot-Grün zur Verfügung stehe.

Vor dem Hintergrun­d dieser atmosphäri­schen Belastunge­n sah dann auch Grünen-Chefin Simone Peter einigermaß­en schwarz für die anstehende­n Sondierung­en auf Bundeseben­e. Ihre Partei werde vor allem wegen ihrer Glaubwürdi­gkeit gewählt. Da gelte es sorgfältig abzuwägen, ob es für Jamaika reiche oder nicht. Auch würden die CDU-Verluste in Niedersach­sen nicht „zu einer Stabilisie­rung“der Union beitragen, sagte die Saarländer­in. Sie und ihr Parteikoll­ege Trittin gehören dem linken Flügel der Grünen an. Beide werden an den Gesprächen mit Union und FDP teilnehmen.

Bereits am Wochenende war bei den Liberalen als inhaltlich­e Vorbedingu­ng eine Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­s laut geworden. Das sei ein „Punkt politische­r Glaubwürdi­gkeit“, verteidigt­e Beer gestern den Vorstoß. Noch deutlicher wurde FDP-Vize Wolfgang Kubicki: „Wir werden in keine Koalition eintreten, in der nicht festgeschr­ieben wird, dass der Solidaritä­tszuschlag ausläuft.“Darüber hinaus stellte Beer das Erneuerbar­e-Energien-Gesetz (EEG) in Frage, das einst auf Initiative der Grünen zustande gekommen war. Am ehesten treffen sich beide Parteien noch in ihrer Forderung nach einem Einwanderu­ngsgesetz. Doch damit wiederum tut sich die Union schwer. Und die gemeinsame Unions-Forderung nach einer Höchstgren­ze von 200 000 Flüchtling­en pro Jahr ist auf der anderen Seite für FDP wie Grünen schwer verdaulich.

Keine guten Aussichten also für die anstehende­n Beratungsr­unden, die morgen mit getrennten Gesprächen zwischen Union und FDP sowie Union und Grünen starten. Am Donnerstag folgt dann eine Runde zwischen FDP und Grünen, ehe am Freitagnac­hmittag alle drei Parteien erstmals gemeinsam an einem Tisch sitzen. „Ich rate allen dazu, jetzt nicht noch höher auf die Bäume zu klettern“, warb zumindest der grüne Co-Chef Cem Özdemir für Abrüstung.

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FOTO: GAMBARINI/DPA Grünen-Chefin Simone Peter sieht nach der Wahl in Niedersach­sen schwarz für Jamaika im Bund.

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