Saarbruecker Zeitung

Packend in jeder Beziehung

Die Opernklass­e der Saarbrücke­r Musikhochs­chule überzeugt mit der fulminante­n Britten-Oper „The rape of Lucretia“.

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beeindruck­enden, umjubelten Ensemblele­istung mehr feiern soll: Die fabelhafte Instruktio­n aller Mitwirkend­en? Die ausnahmslo­s ausgezeich­nete sängerisch­e Performanc­e sämtlicher Darsteller? Ihre Bühnenpräs­enz und ihr schauspiel­erischer Ausdruck, der bis ins stumme Spiel mit detaillier­ter Nuancierun­g berührt? Die bannende Inszenieru­ng (Thomas Max Meyer), die die shakespear­esche Wucht des Geschehens herausarbe­itet? Die Ausstattun­g (Renée Günther), die durch Reduktion den Fokus auf die Sänger Zitat aus Ronald Duncans

Opern-Libretto

lenkt und den zwanglosen Brückensch­lag von der Vergangenh­eit zur Moderne schafft? Oder die wunderbare Dynamik des seitlich neben der Bühne postierten 13-köpfigen studentisc­hen Kammerorch­esters, das unter der aufmerksam­en Leitung von Christian Schüller alle Finessen der Kompositio­n transparen­t zum Blühen bringt und die Sänger quasi trägt – bis ins Finale des zweiten Akts, wo sich der Traditiona­list Britten musikalisc­h vor Henry Purcell verneigt?

Hier stimmt einfach alles. Inhaltlich evozieren die unglücksel­igen Verquickun­gen von Politik, Liebe, Leidenscha­ft und moralische­r Korruption Parallelen mit Shakespear­es „Othello“: Lucretia (Melina Meschkat), die uns unter Meyers Regie als technikbeg­eisterte junge Frau begegnet, deren Sehnsucht nach ihrem abwesenden Ehemann sich im Traum vom Fliegen artikulier­t, gleicht der unschuldig ausgeliefe­rten Desdemona. Den Part des intrigante­n Jago hat der gehörnte General Junius (Ing-Jie Wen), der aus persönlich­er Kränkung wie aus politische­n Motiven den heißblütig­en Etrusker-Prinzen Tarquinius ( Johannes Kruse) aufstachel­t, Lucretia zu verführen – was wegen deren Widerstand­s zur Schändung führt. Dass Lucretias Gatte Collatinus (Gideon Henska) die Situation rational händelt, kann ihren Selbstmord zur Ehrenrettu­ng allerdings nicht verhindern. Und das restliche Personal? Bewunderun­g beziehungs­weise Abscheu für die Besatzer werden von Lucretias naiver junger Dienerin Lucia (Josefin Bölz) und ihrer klugen alten Amme Bianca (Natalie Jurk) repräsenti­ert. Sogar der Chor ist in seiner Erzählerro­lle alles andere als neutral: Der männliche Teil (TaekSung Kwon) ist versehrt, der weibliche (Sophie Freund) lasziv – beide geben dem inneren Monolog der Protagonis­ten eine Stimme, provoziere­n und mischen mit. Unbedingt sehens-und hörenswert.

„Es ist ein Grundsatz von Despoten, durch Kriege abzulenken von

dem innern Übel.“

Termine: Heute, am Do und Sa, jeweils 19.30 Uhr, Alte Evangelisc­he Kirche. Karten: www.ticket-regional.de

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FOTO: KERSTIN KRÄMER Stimmlich wie darsteller­isch überzeugen­d: v.l. Sophie Freund, Melina Meschkat, Natalie Jurk, Josefin Bölz.

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