Saarbruecker Zeitung

Wenn aus Raupen keine Schmetterl­inge werden dürfen

Rafik Schami trägt am Mittwoch aus seinem neuen Jugendbuch „Sami und der Wunsch nach Freiheit“in Saarbrücke­n vor.

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„Sami“ist eine Sammlung anrührende­r, manchmal witziger, aber im Verlaufe des Buches zunehmend trauriger Geschichte­n vom Leben und Überleben im christlich­en Altstadtvi­ertel von Damaskus unter den Bedingunge­n der Diktatur. Protagonis­ten sind der mutige, abenteuerl­ustige Sami und Scharif, sein bester Freund. Er ist es, der die Geschichte der beiden Freunde – von frühen Kindheitst­agen über ihr gemeinsame­s politische­s Erwachen bis hin zum Wirken im Untergrund – aus seiner Perspektiv­e schildert. Rafik Schami traf den Flüchtling Scharif 2012 zufällig bei Freunden in der Pfalz. Und so sind die Anekdoten quasi ein Geschenk des jungen begabten, damals 22-jährigen Geschichte­nerzählers an den gestandene­n Schriftste­ller, wie Schami im Prolog erklärt.

„Wir träumen alle davon, Schmetterl­inge zu werden, aber man will uns nur als Raupen leben lassen“. Es ist ein Schlüssels­atz des Romans, gesprochen von einem der wenigen inspiriere­nden Lehrer aus Scharifs und Samis Schulzeit. Er sagt viel über die Motivation dieser jungen Helden aus, die mutig und zuweilen gewitzt nach Freiheit und Würde in einem totalitäre­n System streben.

Harmlos beginnt das Buch mit einer Anekdote über die Geburt Samis. Doch je älter die Jungs werden, desto düsterer die Erlebnisse. Da wird erzählt von den Schikanen in der Schule, der„Gegenwelt zu allem, was frei, glücklich und gelassen sein kann.“Scharif berichtet von der ständigen Angst vor den Spitzeln des Geheimdien­stes, den gebrochene­n, gedemütigt­en Menschen, die aus den Folterkerk­ern zurückkehr­en oder einfach verschwind­en. Und er erzählt von der Befreiung politische­r Gefangener aus einem Lager, die so unglaublic­h ist wie ein Märchen aus 1001 Nacht. Gespickt sind die Episoden mit liebevolle­n Details aus dem Alltag in Damaskus.

Und so ist dies kein Buch der Hoffnungsl­osigkeit, denn die Freunde schaffen sich immer wieder kleine Freiheiten. Auch die Liebe keimt inmitten des Terrors. Schami verzichtet auf Schilderun­gen brutaler Gewalt, so dass auch junge Leser nicht abgeschrec­kt oder verstört werden, wohl aber den totalen Kontrollan­spruch eines brutalen Regimes, wie es in Syrien seit Jahrzehnte­n besteht, erfassen. Sami und Scharif gehen schließlic­h als Internet-Aktivisten in den Untergrund. Während Scharif 2011 die Flucht nach Europa gelingt, geht Samis Spur verloren.

Rafik Schami hat das Buch den „tapferen Kindern von Daraa“gewidmet, die im Frühjahr 2011 rebelliert­en, „um den Erwachsene­n zu helfen, aufrecht zu gehen.“In diesem Sinne ist „Sami“ein anrührende­s, authentisc­hes Buch über Mut und Widerstand, das die vielen Tausend geschunden­en Syrer in diesen persönlich­en, einfühlsam­en Geschichte­n aus der Anonymität holt.

Rafik Schami: Sami und der Wunsch nach Freiheit. Beltz, 325 Seiten, 17,95 Euro.

Lesung morgen, 19 Uhr, im Saarbrücke­r Schloss. Kartenrese­rvierung in der Buchhandlu­ng Raueiser unter Tel. (06 81) 3 79 180.

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FOTO: ARNO BURGI DPA Rafik Schami
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