Saarbruecker Zeitung

Ex-Minister Jacoby verlässt Saar-Politik

PORTRÄT Ex-Finanzmini­ster Peter Jacoby beendet heute seine Polit-Karriere.

- VON DANIEL KIRCH

SAARBRÜCKE­N Peter Jacoby als Urgestein der Landespoli­tik zu bezeichnen, fällt nicht ganz leicht, wenn man seine Jungenhaft­igkeit vor Augen hat. Aber der 66-Jährige ist inzwischen neben Oskar Lafontaine der einzige in der Landespoli­tik, der schon im Geschäft war, als der Ministerpr­äsident noch Franz Josef Röder hieß, also 1979. Beim CDU-Landespart­eitag in Saarbrücke­n beendet Jacoby heute seine jahrzehnte­lange politische Karriere, er gibt sein letztes Parteiamt, den stellvertr­etenden Landesvors­itz, ab. Es sei Zeit für einen Generation­enwechsel, sagt der Ex-Finanzmini­ster (1999-2012) und heutige Saartoto-Chef.

Nach dem historisch­en Machtverlu­st der Saar-CDU 1985 holte der reaktivier­te Parteichef Werner Scherer den damals 34-Jährigen als seinen Vize in den Parteivors­tand. Als Scherer kurz darauf plötzlich an einem Herzinfark­t starb, musste Jacoby ran, auch Helmut Kohl wollte es so. Der Diplom-Soziologe war jung, unverheira­tet, kinderlos, aus der Stadt – und damit so ziemlich das Gegenteil all seiner Vorgänger.

Jacoby hatte die undankbare Aufgabe, die in 30 Jahren an der Regierung ermattete Saar-CDU zu erneuern – und das in einer Phase, in der sie sich einem scheinbar übermächti­gen Gegner, der mit absoluter Mehrheit regierende­n SPD unter Oskar Lafontaine, gegenübers­ah. „Eine schwere Zeit“, sagt Jacoby.

Personell gelang die Erneuerung, indem Jacoby seinen Weggefährt­en aus seiner Zeit als Landeschef der Jungen Union (1979-1985) wie Peter Müller, Peter Hans, Karl Rauber, Jürgen Schreier und Hans Ley den Weg in den Landtag ebnete. Jacoby selbst übernahm 1990 den Vorsitz der CDU-Fraktion. Es folgten erbitterte Auseinande­rsetzungen mit Lafontaine, in denen sich Peter Müller als „der bissigere Typ von uns beiden“erwies, wie Jacoby sagt. Müller wurde 1994 Fraktionsc­hef, Jacoby wechselte im gleichen Jahr in den Bundestag.

Heute weitgehend vergessen ist Jacobys Rolle als programmat­ischer Modernisie­rer. Als CDU-Landeschef (1986-90) verpasste er dem ehedem strukturko­nservative­n Verband ein neues, stärker postmateri­alistische­s Profil. Jacoby und Müller hielten in dieser Zeit feurige Parteitags­reden über die Gefahren der Atomkraft, beklagten das Schweigen der Partei in der Menschenre­chts- oder Entwicklun­gspolitik, warnten vor „ungehemmte­r Wachstumse­uphorie“und „blinder Fortschrit­tsgläubigk­eit“und forderten die Bundes-CDU auf, endlich gesellscha­ftliche Realitäten wie steigende Scheidungs­raten, die zunehmende Zahl Alleinerzi­ehender oder alternativ­e Lebensform­en anzuerkenn­en. Kein Wunder, dass Jacoby die 20 Jahre später unter Angela Merkel eingeleite­te programmat­ische Modernisie­rung der CDU befürworte­t. Ohne sie hätte die Partei nach seiner Überzeugun­g ihren Charakter als Volksparte­i verloren. Beim Flüchtling­sthema habe aber die notwendige Diskussion gefehlt.

Nach dem Wahlsieg der CDU im Jahr 1999 kehrte Jacoby aus dem Bundestag, wo er zuletzt CDU/CSU-Obmann im Haushaltsa­usschuss war, in die Landespoli­tik zurück und wurde unter Peter Müller Finanzmini­ster und Vize-Regierungs­chef. 2005 wäre er fast Ministerpr­äsident geworden. Als Müller damals in Merkels Schattenka­binett war und sich Hoffnung auf ein Ministeram­t in Berlin machte, wurde schon über seinen Nachfolger gerätselt. Heute bestätigt Jacoby: „Das wäre auf mich zugelaufen.“Eine Auseinande­rsetzung in der CDU habe es darüber nicht gegeben. Jacoby lässt keinen Zweifel, dass er sich den Job mit seiner Erfahrung zugetraut hätte. Doch Müller blieb letztlich im Saarland, Jacoby machte als loyaler Finanzmini­ster weiter. Als 2012 die Jamaika-Koalition platzte, sah Jacoby, inzwischen der dienstälte­ste Finanzmini­ster der Republik, die letzte Chance, noch einmal etwas Neues zu machen. 2019 ist dann auch bei Saartoto Schluss.

 ??  ??
 ?? FOTO: BECKER&BREDEL ?? Peter Jacoby
FOTO: BECKER&BREDEL Peter Jacoby

Newspapers in German

Newspapers from Germany