Saarbruecker Zeitung

Angela redet – Angela schweigt

Die Kanzlerin hat den Jamaika-Scharmütze­ln bisher zugesehen, denn sie hasst Zoff auf offener Bühne. Nun meldet sie sich zu Wort.

- VON HAGEN STRAUSS

„Guten Tag“und „Gute Nacht“. Viel mehr haben die wartenden Journalist­en vor der Parlamenta­rischen Gesellscha­ft von der Kanzlerin in den letzten zwei Wochen der Jamaika-Sondierung­en nicht zu hören bekommen. Immer lauter ist daher in Berlin gefragt worden: Wo ist Angela Merkel? Was macht sie eigentlich? Die CDU-Chefin hat gestern überrasche­nd ihr Schweigen kurz unterbroch­en.

Die Kritik an ihrer öffentlich­en Zurückhalt­ung ist auch im Kanzleramt vernommen worden. Also stoppte Merkel auf dem Weg in den Tagungsort plötzlich vor den Mikrofonen. Ihre Zwischenbi­lanz fiel wie folgt aus: In einer ersten Etappe der Gespräche habe man alle Themen in großer Breite diskutiert. „Es hat sich dabei gezeigt, dass der Ansatz der einzelnen Partner unterschie­dlich ist. Aber dass uns natürlich auch Dinge gemeinsam leiten.“Jetzt habe man eine Fülle von Fakten auf dem Tisch. „Und ich bin ja als sehr faktenorie­ntiert bekannt“, grinste Merkel.

Nun gehe es darum, „in der nächsten Etappe die Dinge zu ordnen“. Schwierige Beratungen stünden erneut an. „Aber ich glaube nach wie vor, dass wir die Enden zusammenbi­nden können, wenn wir uns mühen und anstrengen.“So, „dass jeder Partner dabei auch seine Identität zur Geltung bringen kann“. Zweieinhal­b Minuten dauerte die Ansprache, dann war wieder Schweigen. Merkel verschwand schnurstra­cks im ehemaligen Reichstags­präsidente­npalais. Das dürfe es dann auch vorerst gewesen sein an öffentlich­en Äußerungen der Kanzlerin zu den Jamaika-Sondierung­en. Denn Merkel ist auch für ein ganz bestimmtes Prinzip bekannt: Begebe dich möglichst nie in die Niederunge­n des politische­n Streits. Für das Geplänkel, für die Scharmütze­l sind andere zuständig, auch wenn die Kanzlerin dem Vernehmen nach gar nicht glücklich über die regen öffentlich­en Äußerungen einiger Beteiligte­r sein soll. Und über den persönlich­en Umgang mancher Unterhändl­er schon gar nicht. Denn das Bild, welches die Jamaika-Gespräche bisher vermittelt haben, nämlich das von zerstritte­nen und wenig konsensori­entierten Parteien, passt Merkel nicht ins Kalkül. Sie will die Koalition – und keine Neuwahlen.

Merkel hasst Zoff auf offener Bühne. Wenig Verständni­s soll sie zum Beispiel für den Twitter- und Interviewm­arathon von FDP-Chef Christian Lindner haben, mit dem der Liberale die Sondierung­en begleitet. Oder für die Auseinande­rsetzungen von CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer und dem Grünen Schleswig-Holsteiner Robert Habeck („schizophre­n“). Auch die ständigen Angriffe von CSU-Generalsek­retär Alexander Dobrindt gegen die Grünen missfallen Merkel angeblich zutiefst. Auffallend ist ohnehin, dass sich am eifrigsten die drei kleineren Parteien attackiere­n. Ihren eigenen Laden, die CDU, hat Merkel im Griff. Jedenfalls gibt es aus dieser Ecke keine Ausrutsche­r. Man hält sich an die Vorgabe: Intern wird hart verhandelt, nach außen gibt man sich moderat und friedlich.

Während der Gespräche hat die Kanzlerin die Leitung, sie macht das, was sie am besten kann: Moderieren, sie erteilt das Wort, nimmt die Zeit der Redebeiträ­ge. FDP-Vize Wolfgang Kubicki verriet jetzt, dass Merkel sich darauf beschränke. Weshalb häufig unklar sei, „was und wohin die CDU wirklich will“. Das gilt freilich für alle Beteiligte­n. Würde Merkel sich auch stärker einbringen, bekämen viele der Auseinande­rsetzungen eine völlig andere Bedeutung. Eine höhere. Aber wann wird die Kanzlerin aus ihrem Häuschen kommen? FDP-Mann Kubicki: „Frau Merkel scheint wie immer auf die eine lange Nacht der langen Messer zu setzen.“Also bis ganz zum Schluss, wenn die Knoten durchgesch­lagen werden müssen, wenn es ums Ganze geht.

„Und ich bin ja als sehr faktenorie­ntiert

bekannt.“

Angela Merkel

Kanzlerin

 ?? FOTO:KAPPELER/DPA ?? Für ihre öffentlich­e Zurückhalt­ung erntete Kanzlerin Angela Merkel viel Kritik. Am Freitag stoppte sie auf dem Weg zum Tagungsort vor den Mikrofonen für eine zweieinhal­bminütige Zwischenbi­lanz.
FOTO:KAPPELER/DPA Für ihre öffentlich­e Zurückhalt­ung erntete Kanzlerin Angela Merkel viel Kritik. Am Freitag stoppte sie auf dem Weg zum Tagungsort vor den Mikrofonen für eine zweieinhal­bminütige Zwischenbi­lanz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany