Saarbruecker Zeitung

Die Jamaikaner sondieren erstaunlic­h unprofessi­onell

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Dass man nach zwei Wochen Sondierung­en am Zustandeko­mmen einer Jamaika-Koalition große Zweifel haben muss, liegt im Kalkül aller beteiligte­n Seiten. So treibt man die politische­n Preise bei den Verhandlun­gen in die Höhe, so versucht man, die eigenen Anhänger zu beindrucke­n. Gleichwohl ist es schon erstaunlic­h, wie unprofessi­onell die Gespräche bisher verlaufen sind.

Es wäre wünschensw­ert, die Unterhändl­er müssten ihre Handys abgeben und ließen sich in der Parlamenta­rischen Gesellscha­ft zu Berlin einschließ­en, um so lange miteinande­r zu reden, bis über dem Dach weißer Rauch aufsteigt. Oder eben schwarzer. Wobei: Letzteres ist nach wie vor unwahrsche­inlich. Denn eine echte Alternativ­e zu diesem Bündnis gibt es nicht, zumindest keine, die nicht mit erhebliche­n Risiken für die vier beteiligte­n Parteien verbunden wäre. Das wissen alle, die in den letzten zwei Wochen ausgelotet haben, was geht und was nicht.

Die SPD wird nach ihrem Absturz bei der Bundestags­wahl nicht noch einmal als Steigbügel­halter oder Notnagel für die Kanzlerin fungieren, falls Grüne, FDP und CSU keine gemeinsame­n Linien finden. Die CDU scheint ja im Moment nicht das Problem zu sein. Täten die Genossen es doch, wäre das nach all den Bekenntnis­sen, nun aber wirklich Opposition sein zu wollen, der Tod der Sozialdemo­kratie. Neuwahlen wären also der einzige Ausweg gescheiter­ter Sondierung­en. Nur: Ein besseres Konjunktur­programm für die AfD gebe es nicht. Was wiederum keiner der Jamaika-Sondierer wollen kann. Hinzu kommt, dass insbesonde­re die Kanzlerin einen erneuten Urnengang scheuen muss: Denn dann würde in der Union rasch eine heftige Debatte darüber entbrennen, ob Angela Merkel nach vermasselt­en Sondierung­en und dem miserablen Wahlergebn­is vom 24. September tatsächlic­h noch die Richtige ist. Nein, Merkel braucht Jamaika für ihr eigenes, politische­s Überleben. Deswegen wird sie alles daran setzen, dass eine solche Koalition am Ende zustande kommt. Um fast jeden Preis.

Also werden die Züge weiter in Richtung Jamaika-Bündnis fahren. In der Tat ist es so, dass die letzten beiden Wochen vor allem genutzt worden sind, rote Linien zu kultiviere­n anstatt konkrete Lösungen zu finden. Wenn es welche gab, dann doch eher zufällig. Wer freilich in dieser Form an die Sondierung­en herangeht, muss sich nicht wundern, dass immer nur über die Dissense berichtet wird – was wiederum eine dynamische Wirkung auf einige Unterhändl­er gehabt hat, die in der Folge an keinem Mikrofon vorbeigehe­n und keinen Twitter-Account mal für ein paar Tage ruhen lassen konnten. Attacke hier und da, dazu noch eine Flut von zum Teil unnützen Papieren. So kann man die Gespräche auch gekonnt gegen die Wand fahren.

Bleibt zu hoffen, dass die Verhandler in den nächsten beiden Wochen endlich begreifen, worum es geht – nicht nur um ihre Parteien und ihre persönlich­en Animosität­en, sondern in erster Linie ums Land und seine Bürger. Die stärkste Volkswirts­chaft Europas braucht eine funktionie­rende Regierung. Und zwar zügig.

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